Beim Unternehmertypus „Ich bin die Firma“ beobachte ich eine erfolgreiche und sehr effiziente „Rasier-Spiegel-Governance“. Diese «kurzen Wege», diese produktiven Verhaltensmuster sind im Kontext der Kleinst- und Kleinunternehmen richtig und wichtig – solange es nicht um die Nachfolgeregelung geht! Insbesondere wenn das Ziel verfolgt wird, im Sinne eines Entwicklungsprozesses – die Firma im Zeitraum an neue Eigentümer, wie zum Beispiel Kinder oder Mitarbeitende, zu übergeben, kann die tradierte „Rasier-Spiegel-Governance“ hinderlich sein.
Ein Unternehmer einer Ich-AG kann um 06.00 Uhr am Morgen beim Rasieren sinnbildlich mit sich selbst die Generalversammlung, Verwaltungsratssitzung und Geschäftsleitungssitzung durchführen. Vielleicht geht er dann noch von der Annahme aus, dass die Mitarbeitenden dann um 07.00 Uhr auch gleich noch automatisch wissen, was die Aufgaben sind. Aus der Perspektive von Transaktionskosten ist dies ausgesprochen effizient und effektiv und zudem einer der wesentlichen komparativen Vorteile von Kleinst- und Kleinunternehmen gegenüber «grossen» Firmen.
Gerade im Rahmen von familieninternen Nachfolgeregelungen und Management Buy Outs wird der Zeitraum genutzt, um die nächste Generation an das Unternehmen heranzuführen und in die Entscheidungsfindungsprozesse einzubinden. Gremien wie Geschäftsleitung und Verwaltungsrat sind wunderbare Gefässe, um junge Menschen an die neuen Positionen und Aufgaben, und damit an die Verantwortung, heranzuführen – so die Empfehlung.
Im Kern handelt es sich aber um fundamentale Veränderungen von Verhaltensmustern. Diese Veränderungen sind anspruchsvoll. Eingespielte Routinen werden abrupt verändert – und genau das ist nicht einfach. Routine gibt Sicherheit und das Gefühl von (Selbst)Vertrauen. Man(n) muss nicht studieren – rasieren kann Mann auch im Schlaf. Eigentlich habe viele der Unternehmer das schon erlebt – aber es geht vielleicht auch vergessen. Bei der Geburt des ersten Kindes wurde vor x Jahren die eigene Routine am Morgen auch unplanbar, neu und anders.
Nicht nur Strukturen, sondern auch Prozesse: Wichtig sind deshalb nicht nur die Governance-Strukturen. Entscheidend ist das Einüben von neuen Governance-Prozessen; das heisst, das Verändern von Verhaltensmustern. Und dies gelingt nur mit Üben, Üben und nochmals Üben. Dies ist, wie wenn Simon Ammann neu mit dem linken (oder rechten) Fuss landen will. Und dies am Schluss erfolgreich im Wettkampf – wo es um den letzten Meter geht! Auch er ist am Üben mit intensiver Unterstützung durch einen externen Trainer, gepaart mit einer grossen Portion Selbstaufmerksamkeit. Gleichzeitig ist dies nochmals eine neue Herausforderung, die bewusst gesucht werden kann.