Die Frage wird immer wieder an mich gestellt: „Wo sind all die Transaktionen, von denen Du und Eure Statistiken sprechen?“
Gestellt wird die Frage meistens von Dienstleistern, die Produkte für Finanzierung, Vorsorge, Ehe- und Erbrechtsfragen anbieten. Und insbesondere von möglichen Verkaufsmandatsinhabern – von sogenannten M&A‑Beratern oder Mittlern.
Meine These: Wer selber ‚Produkte‘ anbietet, tickt selber wie ein Mitspieler auf dem Transaktionsmarkt: und wird auch als Mitspieler wahrgenommen und so erlebt. Sprich: A verkauft B ein Produkt. Respektive eine Dienstleistung zum Preis X.
Wenn die Realität im Kontext der Unternehmensnachfolge wirklich so einfach wäre, würde die Frage “wo sind denn all die Transaktionen?” gar nicht gestellt. Denn: bei der überproportionalen Mehrheit von Nachfolgeregelungen geht es um Entwicklungsprozesse und nicht nur um Transaktionsprozesse. Dies bedeutet, dass am Ausgangspunkt einer solchen Reise weder das Zielbild scharf ist, noch der der Weg zum Ziel wirklich bekannt ist. Viele Unwägbarkeiten, Überraschungen, Abzweigungen, sich wiedersprechende Wegweiser … sind so sicher, wie das Amen in der Kirche. Wie will man dann ein Dienstleistungsprodukt zu einem (fixierten) Preis anbieten können, ohne zu wissen, was hinter der nächsten Wegbiegung kommt? Für 1–2 Projektschritte kann dies in der Realität in etwa abgeschätzt werden – mehr jedoch nicht.
Ein Entwicklungsprozess ist ein Kommunikationsprozess. Nur der Dialog ermöglicht das Elaborieren und die Errichtung von gemeinsamen Zielbildern und das Heranführen einer tragbaren Lösung. Einer tragbaren Lösung für den Verkäufer, den Käufer und vor allem auch für das Unternehmen, welches verkauft werden soll. Wenn ich beispielsweise unmittelbar nach Unterzeichnung von Verträgen von akuten Liquiditätsengpässen höre, dann ist offensichtlich die Tragbarkeit im Dienste der Firma nicht gut genug reflektiert worden. Ziel muss sein, dass es drei Gewinner gibt: VerkäuferIn – KäuferIn – Unternehmen.
Grossunternehmen verfügen über Stabsabteilungen und Assistenzstellen und damit über Ressourcen, die gezielt Entwicklungsprozesse andenken, strukturieren und im Idealfall auch noch führen können. Man spricht dann oft von Organisationsentwicklung. Ein klassisches KMU im Unterschied dazu mit 4, 10 oder 50 Mitarbeitenden verfügt in der Regel nicht über solche Ressourcen. Die Unternehmer wissen dies sehr wohl: Gegenmassnahmen zu treffen ist jedoch etwas anderes.
Die Frage stellt sich nun: Kann oder muss man einen solchen Entwicklungsprozess einem Dritten anvertrauen und falls ja wem? Das Initiieren muss zwingend vom Unternehmer oder der Unternehmerfamilie erfolgen – die Führung eines solchen Prozesses muss — oder kann — von einer dritten Kraft übernommen werden – selbstverständlich immer in Abstimmung mit den betroffenen Parteien.
Im Kontext «Nachfolge in KMU und Familienunternehmen» braucht es deshalb einen empathischen Wadenbeisser, der mit Umsicht und Weitblick, mit Gefühl und Kraft, aus der Distanz und mit unternehmerischer Nähe einen solchen Entwicklungsprozess führt.
Ein empathischer Wadenbeisser mit Generalisten-Know-how und Nachfolge-Erfahrung, der zum richtigen Zeitpunkt und in der geeigneten Dosis die Fachexperten einbindet und aufeinander abstimmt. OK – ich spreche hier gewissermassen von der bekannten „Eier-legenden-Woll-Milch-Sau“.
Auch wenn diese Leute nach wie vor rar gesät sind – es gibt sie. Unternehmer, die solche Angebote in Anspruch genommen haben, sagen rückblickend, dass dies der absolut richtige Entscheid war – aber diese Erkenntnis kommt in der Regel erst im Nachgang.
Es braucht also eine grosse Portion Vertrauen und das bekannte „gute Bauchgefühl“, sich auf einen solchen „Wadenbeisser“ einzulassen – der erste Schritt liegt beim Unternehmer und der Unternehmerfamilie.