Unternehmer:innen, die sich auf eine Unternehmensbewertung vorbereiten wollen, müssen nebst dem Aufbereiten von Zahlen, für sich auch wesentliche Fragen vorab klären. Zum Beispiel die, was sie eigentlich verkaufen wollen. Die Antwort auf diese Frage ist eine der wesentlichsten Vorbereitungsarbeiten, die der Unternehmer oder die Unternehmerin leisten kann. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie dabei achten sollten.
Eine Unternehmensbewertung zu erstellen, gehört nicht zum Alltag einer Unternehmerin oder eines Unternehmers. Es ist daher sinnvoll, sich mit dem Anliegen an eine Fachexpertin oder an einen Fachexperten zu wenden (z.B. Treuhänder:in). In den meisten Fällen wird diese Person beim Prozess eine wesentliche Rolle übernehmen.
Als Unternehmer:in kann ich dennoch wertvolle Vorarbeit leisten, sodass der Prozess der Bewertung später schneller vorangeht. Die wichtigste Grundlage für einen guten Prozess: Klarheit haben. Und das in verschiedensten Bereichen. Unser Leitfaden zur Selbstreflexion regt dazu an, sich mit wichtigen Fragen rund um die Bewertung auseinanderzusetzen. Auch unser Excel “Finanzen und Kennzahlen” kann hilfreich sein, wenn es darum geht, ein Gespür für Zahlen, Wert und die eigenen Erwartungen zu erhalten.
Bevor Sie sich nun aber mit diesen Unterlagen an die Vorbereitungen machen, klären Sie zuallerst folgende Frage: Was will ich überhaupt verkaufen?
Das Ziel der Unternehmensbewertung ist in den meisten Fällen der Verkauf der Firma. Zu beantworten, was man denn nun aber verkaufen möchte, ist oft komplexer, als es zu Beginn den Anschein macht. Der Grund: in vielen Fällen ist Kapital in der Firma gebunden. Und das kann es kompliziert machen. Lassen Sie mich dazu einige Ausführungen machen am Beispiel Familienunternehmen.
Was “wiegt” mein Unternehmen?
Familienunternehmen werden in der Regel über mehrere Jahrzehnte aufgebaut. Typischerweise wird der erwirtschaftete “Überschuss” reinvestiert und dadurch ein entsprechendes Vermögen (Anlagevermögen) “angehäuft”. Freie Mittel (Cash Flow) werden gerne in Immobilien, Erweiterungen von Immobilien oder Grundstücke investiert. Damit wächst das Anlagevermögen im Unternehmen, man sagt auch gerne “das Unternehmen wird schwerer” und Kapital ist in der Firma “gebunden”. Nicht selten erfolgen diese Investitionen mit der Idee, sich damit auch eine Vorsorge aufzubauen.
Spätestens beim Nachfolgeprozess muss sich die Unternehmerin und der Unternehmer dann aber mit folgenden Frage auseinandersetzen:
- Was davon braucht das Unternehmen für die Erfüllung seiner Mission?
- Was ist tatsächlich notwendig für den Betrieb?
Firmeninhaber:innen müssen nun unterscheiden, was “betriebsnotwendig” und was “nicht betriebsnotwendig” ist. Dazu ein konkretes Beispiel:
Beispiel aus der Praxis
Eine Schreinerei kauft eine neue Hobelmaschine, dann ist das “betriebsnotwendig”, weil die Maschine gebraucht wird, um die Aufträge erfüllen zu können. Dies im Gegensatz z.B. zu einem Kauf einer Wohnung (Investoren-Wohnung), die anschliessend vermietet wird. Wenn die Schreinerei die Käuferin der Wohnung ist, dann ist diese Wohnung “nicht betriebsnotwendig”.
Der Inhaber oder die Inhaberin der Schreinerei muss sich bei einem Firmenverkauf damit auseinandersetzen, ob die Firma für den nicht betriebsnotwendigen Teil einen Käufer findet, der dafür einen fairen Preis bezahlt. In unserem Beispiel lautet die Frage also, gibt es einen Käufer, der sowohl die Firma übernehmen möchte und zusätzlich auch noch die Investoren-Wohnung zum Marktpreis — oder muss das getrennt abgewickelt werden?
Das Beispiel der Schreinerei macht deutlich, dass der Entscheid, wie schwer ich mein Unternehmen verkaufen möchte, einen relevanten Einfluss hat auf den Nachfolge- und Verkaufsprozess.
Die Geldfrage bei familien- und unternehmensinternen Nachfolgen
Wenn für den Unternehmer oder die Unternehmerin eine familien- oder unternehmensinterne Nachfolge (FBO oder MBO) wichtig ist, dann stellt sich natürlich auch hier die Frage: über welche Mittel verfügen Familienmitglieder bzw. Mitarbeitende, um den Kauf der Firma zu finanzieren? Das nötige Geld ist oft eine Herausforderung, da sich Familienmitglieder oder Mitarbeitende zum Zeitpunkt einer potenziellen Nachfolge meistens in einer Lebensphase befinden, in der sie noch kein nennenswertes Kapital ansparen konnten (Familiengründung, Wohnungskauf, etc.). Das belegen auch Studien, die zum Thema “Finanzierung der Übernahme von KMU durch private Nachfolge” gemacht worden sind und die belegen, dass die in den Nachfolgeprozess involvierten Schlüsselpersonen die geringen Eigenmittel von Käufer:innen sowie die überhöhte Preisvorstellung von Verkäufer:innen als wichtigste Problemstellungen nennen.
Im Bezug auf das “Gewicht eines Unternehmens” ist diese Ausgangslage durchaus relevant, weil daraus ein Konflikt entstehen kann. Möchte ich mein Unternehmen “schwer” verkaufen, mit dem ganzen Gewicht (also auch mit nicht betriebsnotwendigen Anteilen), dann kann es sein, dass die Nachfolge-Option, die ich als Inhaber:in favorisiere nicht realisierbar ist, weil der potenzielle Nachfolger oder die potenzielle Nachfolgerin das Geld dafür nicht aufbringen kann und die Finanzierung scheitert.
Die Überlegungen einer Käuferin oder eines Käufers
Wer ein schweres Unternehmen verkaufen möchte, sollte sich fragen, warum eine Käuferin oder ein Käufer motiviert sein sollte, ein “schweres Unternehmen” zu kaufen. Dazu zwei Szenarien.
Szenario 1: Wenn ein:e Käufer:in die Geschäftsführung übernehmen möchte, ist der Fokus klar ausgerichtet auf das Potenzial der Firma in der Zukunft. Eine solche Person ist grundsätzlich nicht daran interessiert, ein “schweres Unternehmen” zu kaufen. Sie würde eine schwere Firma nur dann kaufen, wenn sie vom Zukunfts-Potenzial überzeugt ist und gleichzeitig auch grad noch über die nötigen liquiden Mittel verfügt. Aber auch wenn das Geld da ist, ist davon auszugehen, dass die Person noch versuchen würde, den Preis zu drücken. Nach der Transaktion würde die neue Eigentümerin vermutlich damit beginnen, das “nicht betriebsnotwendige” Vermögen zu verkaufen, um damit einen Gewinn zu erzielen; was kurzfristig aber nicht ohne entsprechende steuerliche Auswirkungen möglich ist.
Szenario 2: Wenn nun die Person, welche die Firma kaufen möchte, nicht operativ in die Geschäftsleitung möchte, sondern aus strategischen Überlegungen am Kauf interessiert ist, weil sie dadurch z.B. Zugang erhält zu einem Produkt, Patent, Markt oder zu einer Immobilie, dann bewertet diese Person die strategische Option höher, als den “Nachteil”, ein “schweres Unternehmen” zu kaufen. Das Unternehmen wird nach dem Kauf vermutlich integriert oder aufgelöst. Trotzdem wird auch eine solche Person versuchen, den Preis zu “drücken” und nach Argumenten suchen, die einen Preisnachlass rechtfertigen.
Als Fazit lässt sich zusammenfassen, dass beim Verkauf eines schweren Unternehmens gute Gründe wie auch die nötige Liquidität vorhanden sein muss, dass sich ein potenzieller Käufer darauf einlässt. Und selbst, wenn das Interesse da ist, wird die Käuferin oder der Käufer mit hoher Wahrscheinlichkeit versuchen, den Preis noch zu drücken. Die Verhandlungsposition des Verkäufers ist nicht dieselbe wie bei einem Unternehmen, das betriebssinnvoll aufgestellt ist.
Konkrete Vorbereitung auf die Bewertung
Ganz unabhängig von der Nachfolge-Option, empfehle ich allen, das Unternehmen früh genug in eine “betriebsnotwendige” oder “betriebssinnvolle” Form zu bringen. Was heisst das nun? Eine Firma hat dann eine betriebssinvolle Form, wenn die Finanzierung des Kaufpreises nicht die weitere Entwicklung des Unternehmens verhindert. Konkret bedeutet das, dass nach der Übernahme genügend Liquidität vorhanden sein muss:
- für die Rückzahlung der Verpflichtungen aus dem Unternehmenskauf an den Verkäufer (Verkäuferdarlehen) oder an die Bank,
- für die Finanzierung des laufenden Betriebs (inkl. Unternehmerlohn) sowie
- für anstehende und wichtigen Investitionen, Innovationen, Wachstum etc.
Um sicherzustellen, dass diese notwendige Liquidität nach der Übernahme gegeben ist, macht es Sinn, dass der Nachfolger oder die Nachfolgeerin zumindest für die ersten 12 Monate einen Liquiditätsplan erstellt und auch die grössten Investitionen auf die nächsten Jahre hinaus plant.
Sich als Unternehmer:in die Frage zu beantworten, wie schwer ich meine Firma verkaufen möchte und wer sie in eine “betriebssinvolle” Form bringen soll, erachte ich als eine der wichtigsten Kernfragen, bevor eine Unternehmensbewertung erstellt werden sollte.
Andreas Salcher, Nachfolgeexperte
Die Trennung von betriebsnotwendigem und nicht betriebsnotwendigem Vermögen ist eine Überlegung die zu jeder Nachfolge gehört. Ob Sie sich als Verkäufer:in damit auseinandersetzen oder es dem Käufer delegieren, hat einen relevanten Impact auf den ganzen Nachfolge- und Verkaufsprozess:
- Entweder Sie als Unternehmer:in bringen Ihre Firma vor dem Verkauf in eine “betriebssinnvolle” Form
- oder es gelingt Ihnen, einen liquiden Käufer zu finden, der bereit ist, ein schweres Unternehmen zu kaufen und die von betriebsnotwendigem und nicht betriebsnotwendigem Vermögen nach der Übernahme selber vornimmt.
Sich als Unternehmer:in diese Frage zu beantworten, erachte ich persönlich als eine der wichtigsten Vorbereitungsaufgaben zur Unternehmensbewertung. Sobald diese Frage geklärt, können die weiteren Schritte für die Erstellung der konkreten Unternehmensbewertung folgen.
Dazu gehören — wie auch bereits im Blog 21 “Was ist meine Firma wert?” ausgeführt — die Aufbereitung der Zahlen. Aus der Finanzbuchhaltung (Fibu) dient dabei die Betriebsbuchhaltung (Bebu) als wichtigste Basis für die Berechnung der relevanten Kennzahlen und der verschiedenen Unternehmenswerte.
Mehr zum Thema “KMU Unternehmensbewertung”
Für alle, die sich vertieft mit dem Thema “KMU Nachfolge und Bewertung” auseinandersetzen möchten, haben wir nützliche Inhalte aufbereitet:
- Download Schrift 07 — Bewertung
- Download Arbeitsmittel
- Andreas Salcher im Gespräch: KMU Unternehmensbewertung – das Wichtigste in Kürze
- Fabian Schmid im Gespräch: Unternehmensbewertung – Empfehlungen für KMU
- Blog 21 — Was ist meine Firma wert?
Im Download-Center finden Sie zudem unter dem Schlagwort “Transaktionskosten” ergänzende Arbeitsblätter.
Glossar — Schlüsselbegriffe kurz erklärt
Nachfolge-Optionen
Bei praktisch allen Nachfolgeprozessen bei KMU wird eine der folgenden Nachfolge-Optionen umgesetzt:
- familieninterne Übertragung (Family-Buy-Out)
- unternehmensinterne Übertragung (Management-Buy-Out)
- unternehmensexterne Übertragung (Management-Buy-In) durch Verkauf.
Family-Buy-Out (FBO)
Bei einem FBO wird das Unternehmen an einen oder mehrere Nachkommen des Eigentümers oder an andere Familienmitglieder weitergegeben. Die Eigentumsnachfolge findet innerhalb der Familie statt.
Management-Buy-Out (MBO)
Bei einem MBO verkauft der Inhaber oder die Inhaberin die Firma an das bisherige Management, an einen oder mehrere leitende Angestellte.
Management-Buy-In (MBI)
Beim MBI verkauft die Inhaberin oder der Inhaber die Firma an eine Person, die nicht im Unternehmen tätig ist. Dabei kann es sich um eine Privatperson handeln, um eine Firma aus derselben oder einer verwandten Branche oder um einen reinen Investor.
Finanzbuchhaltung
Die Finanzbuchhaltung (Abkürzung im Fachjargon: Fibu) ist ein Teilbereich des betrieblichen Rechnungswesens, der alle Geschäftsvorfälle erfasst, die einen Zahlungsstrom auslösen. Dazu gehören auch Forderungen und Verbindlichkeiten, die bei Fälligkeit zu Bareinzahlungen/Barauszahlungen oder einer entsprechenden Veränderung des Zahlungsmittelbestands führen. Sie heisst deshalb auch pagatorische Buchhaltung. Die Finanzbuchhaltung ist von der Betriebsbuchhaltung (die auch kalkulatorische Kosten erfasst) organisatorisch abgetrennt; beide Bereiche ergeben die Gesamtbuchhaltung. Die Finanzbuchhaltung liefert das Zahlenmaterial zur Erstellung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), aus denen sich Lage und Gesamterfolg des Betriebs erkennen lassen.
Betriebsbuchhaltung
Das betriebliche Rechnungswesen (Abkürzung im Fachjargon: Bebu) stellt die interne Rechnung eines Betriebes dar. Die Betriebsbuchhaltung setzt auf der Basis der Finanzbuchhaltung auf und enthält die tatsächlichen Werte (Abschreibungen, Bewertung von Vorräten und Tierbestand, Risiken etc.) und nicht steuerlich optimierte Werte. Es erfasst die Kosten und Erlöse anstatt Aufwände und Erträge von einzelnen Produkten/Betriebszweigen und Dienstleistungen. Im Gegensatz zur Finanzbuchhaltung umfasst die Betriebsbuchhaltung die Kosten- und Leistungsrechnung (Kostenrechnung) und als Nebenrechnungen: Materialbuchhaltung, Lohnbuchführung und Anlagenbuchhaltung.
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