Die Finanzierung einer Unternehmensnachfolge kann eine Herausforderung sein. Es gibt Ausgangslagen, da kann eine Finanzierung durch die Bank schwierig werden (siehe dazu Blog 26). Auch bei einer Minderheitenfinanzierung können Sie mit Herausforderungen konfrontiert sein. Was Sie berücksichtigen sollten, wenn sich Nachfolgerinnen oder Nachfolger bereits früh mit einer Minderheit am KMU beteiligen, damit befassen wir uns in diesem Blog.
Man kann die Nachfolge nicht früh genug angehen. Unternehmerinnen und Unternehmer, welche diese Empfehlung berücksichtigen, gewinnen Gestaltungsraum und Möglichkeiten und haben damit oft die besseren Chancen, eine als gut und fair empfundene Nachfolge zu gestalten, die als nachhaltig angesehen wird.
Es gibt Inhaberinnen und Inhaber von KMU, welche die Nachfolge nicht nur früh angehen wollen, sie haben auch den Wunsch, die operative Nachfolge über eine längere Zeit zu begleiten. In diesem Fall kann es vorkommen, dass die übergebende Generation die potenziellen Nachfolgerinnen oder Nachfolger bereits früh an das Unternehmen binden wollen. Zum Beispiel, indem sie die nachfolgende Generation am Eigentum des KMU beteiligen, in der Regel mit einer Minderheit am Kapital bis maximal 49.99% an Kapital- und Stimmrechten.
Diese Minderheitenbeteiligung erfolgt oft in kleinen Quoten von 5%, 10%, 20% oder 30% — je nach Anzahl Nachfolger oder Nachfolgerinnen. Die Inhaber behalten dabei immer die Mehrheit oder geben diese über eine vorher vereinbarte Zeit an die Nachfolger ab.
Solche Regelungen findet man oft bei sogenannten “Partnermodellen” im Dienstleistungssektor (Rechtsanwälte, Ingenieurbüros oder sonstige Beratungsfirmen), aber auch bei produzierenden KMU.
Gründe für eine Minderheitenfinanzierung
Die Beweggründe für eine Minderheitenfinanzierung sind unterschiedlich. Viele Inhaberinnen oder Inhaber beabsichtigen damit, die Kontrollmehrheit über ihre Firma so lange zu haben, bis sie sicher sind, dass die nachfolgende Generation — in ihren Augen — fähig und bereit ist, das ganze KMU zu übernehmen. Nachfolgerinnen und Nachfolger lassen sich oft auf eine Minderheitenfinanzierung ein, weil sie (noch) zu wenig Geld und Möglichkeiten haben, den vollständigen Kauf der Firma zu finanzieren.
Oft reichen auch bei kleineren Beteiligungen die eigenen Mittel nicht, um den Kaufpreis vollständig zu erbringen. Wenn die Inhaber kein Verkäuferdarlehen für die Differenz gewähren wollen, dann wird ein Bankdarlehen nötig. Je nach Finanzierungsbedarf und individueller Vermögensverhältnissen kann es für die Nachfolger sinnvoll sein, das Bankdarlehen nicht als klassische Aktienkauffinanzierung aufzunehmen, sondern — sofern möglich — z.B. die Hypothek auf ein privates Eigenheim zu erhöhen oder innerhalb der Familie (z.B. Erbvorbezug) oder des Freundeskreises ein privates Darlehen aufzunehmen.
Die Nachfolger sind bei Minderheitsbeteiligungen in der Regel auf Gewinnausschüttungen für die Tragbarkeit der Schulden (Zinsen und Reduktionen) angewiesen. Bei einer klassischen Aktienkauffinanzierung stützt sich die Bank deshalb auf die künftigen Gewinnanteile. Anders verhält es sich, wenn die Nachfolger über höhere Löhne oder Boni an der künftigen Gewinnentwicklung beteiligt werden sollen.
Herausforderungen einer Minderheitenfinanzierung
Das Problem bei Minderheitenfinanzierungen ist, dass Minderheitsbeteiligte zwar finanziell beteiligt, am Ende aber eigentlich nichts zu sagen haben. Sie haben nicht die alleinige Verfügungsgewalt. Das kann zu Herausforderungen führen, wenn z.B. die übrigen Aktionäre oder der Hauptaktionär nicht einverstanden sind mit einer geplanten Gewinnausschüttung oder diese weniger hoch beantragen. So können Entscheide zustande kommen, die nicht im Interesse des oder der Minderheitsbeteiligten sind, die ihre Beteiligung z.B. über eine Bank finanzieren.
Ebenfalls kritisch ist es, wenn von den Mehrheitsaktionären wichtige strategische Entscheide gefällt werden, welche künftige Gewinne des Unternehmens bewusst reduzieren (grosse Wachstumsambitionen, Eintritt in neue Märkte, Verkauf eines Unternehmensanteils, etc.).
Um mit diesen Risiken umzugehen, ist im Interesse der Nachfolger und der finanzierenden Bank ein guter Aktionärsbindungsvertrag (gleichwertiger Gesellschaftervertrag bei einer GmbH) nötig, welcher Minderheitsbeteiligte und ihre Interessen schützt. So können u.a. Regelungen getroffen werden, die z.B. Einstimmigkeit bei wichtigen Entscheidungen verlangen und bei der Gewinnverwendung die Interessen der Minderheiten berücksichtigt (z.B. Regelung einer bestimmten Gewinnquote in % oder in CHF).
Wenn die Käuferschaft (Nachfolger) die Finanzierungskosten über Löhne und/oder Boni tragen können, dann sind Regelungen in einem Aktionärsbindungsvertrag aus Banksicht weniger im Fokus, im Interesse der Nachfolger aber dennoch zu empfehlen. Dann steht nicht unbedingt die Gewinnverwendung im Fokus, sondern meistens einzelne Aspekte der Entschädigung aus dem Arbeitsverhältnis (Regelung im Arbeitsvertrag) für die Minderheitsbeteiligte sowie Regelungen von Kauf- und Verkaufsrechte für die Parteien.
Aktionärsbindungsvertrag
Wo immer mehrere Parteien an einem Unternehmen beteiligt sind, sind klare Verhältnisse von Vorteil. Der Aktionärsbindungsvertrag (ABV) regelt genau dieses Verhältnis zwischen den Eigentümern (Aktionären), ausserhalb der Statuten. Es geht darum, die Beziehung zwischen den Aktionären festzuhalten, wie auch ihre Rechte und Pflichten untereinander zu definieren. Für eine GmbH kann analog ein Gesellschaftervertrag geschlossen werden. Wie bei einem Ehevertrag geht es in der Praxis darum, das Vorgehen bei möglichen Szenarien wie Austritt, Handlungsunfähigkeit oder Tod eines Aktionärs vertraglich zu regeln, damit der Fortbestand des Unternehmens im Interesse der Eigentümer:innen sichergestellt werden kann.
Es gibt gesetzlich keine inhaltlichen Vorschriften für einen Aktionärsbindungsvertrag; jedoch haben sich in der Praxis geeignete Formen bewährt, welche firmenspezifisch angepasst werden können und müssen. Hier finden Sie eine Checkliste, die als Orientierungshilfe gelten kann, eine individuelle Beratung aber nicht ersetzt. Ziehen Sie bei Fragen oder einer konkreten Ausgestaltung einen Rechtsanwalt mit Nachfolge-Erfahrung oder einen Treuhänder hinzu.
Schlussfolgerungen
Grundsätzlich kann man dazu sagen: die Finanzierung von Unternehmensnachfolgen ist in der Regel allein schon eine grosse Herausforderung. Bei Spezialsituationen, wie oben aufgeführt, erschwert es die Finanzierung zusätzlich. Situationen, die eine Bankfinanzierung erschweren und damit eine Nachfolgefinanzierung noch herausfordernder gestalten, haben wir im Blog-Beitrag 26 ausgeleuchtet:
- Laufender Covid-19-Kredit
- Ausserordentliche Investitionen
- Mehrere Fremdkapitalgeber
Jede Nachfolge ist individuell zu betrachten, dasselbe gilt für Nachfolgefinanzierungen. Was man grundsätzlich sagen kann: wenn im Rahmen von Nachfolgeregelungen eine Bankfinanzierung aufgenommen werden soll, ist so früh wie möglich das Gespräch mit der Bank zu suchen. Damit ist sichergestellt, dass die Käuferschaft und die Bank sich frühzeitig gegenseitig informieren und dabei ihre Vorstellungen und Möglichkeiten von Anfang an darlegen können. Zudem können auch die dafür nötigen Voraussetzungen und Erwartungen besprochen werden.
Im Falle einer Minderheitenfinanzierung lautet eine zusätzliche Empfehlung, sich frühzeitig und sorgfältig zu informieren und mit einer Fachperson einen Aktionärsbindungsvertrag aufzusetzen.
Für alle, die sich vertieft mit dem Thema “KMU Nachfolge und Finanzierung” auseinandersetzen möchten, haben wir folgende Inhalte aufbereitet:
- Download Schrift 09 — Finanzierung
- Download Checkliste Aktionärsbindungsvertrag
- Blog 26: Spezialfälle bei der Finanzierung einer Unternehmensnachfolge — wie es trotzdem klappt
- Blog 25: Möglichkeiten und Grenzen der Nachfolgefinanzierung
- Blog 24: Gerechtigkeit als Schlüssel
- Blog 23: Fairer Verkaufspreis — trotz Emotionen
Im Download-Center finden Sie unter dem Schlagwort “Transaktionskosten” ergänzende Arbeitsblätter zum Thema.
Fotonachweis: Shutterstock
ÜBER DANIELE RUGGERI
Daniele Ruggeri ist langjähriges Kadermitglied der Zürcher Kantonalbank und verfügt über grosse Erfahrung in der Finanzierung von KMU. Er war viele Jahre als Firmenkundenbetreuer von KMU tätig. Sein heutiges Kernthema ist die Begleitung und Finanzierung von Nachfolgelösungen von KMU. Als Dozent an verschiedenen Weiterbildungsinstituten gibt er sein theoretisches und praktisches Wissen zum Thema Nachfolgefinanzierungen weiter.