Die Nachfolgeberatung als Dienstleistung hat in den letzten Jahren gegenüber früher stark an Bedeutung gewonnen. Das sagt Josef Bühler, der als Nachfolgeberater seit vielen Jahren Unternehmen beim Generationenwechsel begleitet. Welche Gründe er dafür sieht und welche Arten der Nachfolge-Dienstleistung er unterscheidet, führt er in diesem Gastbeitrag aus.
Der Generationenwechsel bei einem KMU ist je länger je weniger ein Selbstläufer und die unternehmensexterne Nachfolge gewinnt zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig gibt es immer mehr Dienstleistungen rund um das Thema Nachfolge. Dies drei Hauptgründe, weshalb die Nachfolgeberatung als Dienstleistung während den letzten Jahren gegenüber früher an Bedeutung gewonnen hat.
- Der Generationenwechsel ist heute noch weniger ein „Selbstläufer“ wie früher. Ein Unternehmen wird nur noch selten selbstverständlich und ohne viel Aufhebens innerhalb der Familie auf die nächste Generation übertragen. Der übernehmenden Generation stehen im Vergleich zu früher viel mehr Wege offen (Stichwort: Multioptionsgesellschaft) und der Wunsch, sich selbst zu verwirklichen und die Work-Life-Balance zu bewahren, sind Werte, welche die jüngere Generation prägt. Auch die zunehmende Akademisierung stellt eine neue Herausforderung dar für Nachfolgeprozesse.
- Die Bedeutung der familienexternen Unternehmensnachfolge hat zugenommen. Gleichzeitig sind in den letzten Jahren die Verkaufspreise tendenziell gestiegen. Dies bedeutet, dass das Interesse von institutionellen Investoren auch im KMU-Bereich gewachsen ist und anders gelagerte Interessen ins Zentrum gestellt werden wie bisher.
- Immer mehr Dienstleister verschiedener Herkunft möchten sich für ihre Zwecke einen Teil des Kuchens dieser interessanten Mandate abschneiden. Entsprechend haben auch Fachseminare mit verschiedensten Schwerpunkten und von unterschiedlichsten Anbietern Hochkonjunktur. Die Transaktionsorientierung ist in den letzten Jahren stark gestiegen.
Wer bietet Nachfolgeberatung an?
Die besten Voraussetzungen, um von einer Unternehmerin oder einem Unternehmer mit der Unternehmensnachfolge betraut zu werden, haben Dienstleisterinnen und Dienstleister, die bereits mit dem Auftraggeber zusammenarbeiten und wirtschaftlich orientiert sind. Dienstleistende, die bereits eine Kundenbeziehung haben zur Unternehmerin oder zum Unternehmer kennen die Vorgeschichte der Firma und ihrer Schlüsselpersonen und haben Zugang zu den aktuellen Entscheidungsträgern. In der Regel handelt es sich dabei um Fachexpertinnen und ‑experten aus den Disziplinen Wirtschaftsprüfung, Treuhand, Steuerberatung, Advokatur oder Hausbank.
Weniger offensichtlich, doch auch immer wieder angefragt, werden prozessorientierte Dienstleister, die sich — im Gegensatz zu Fachberaterinnen und ‑beratern — auf Fragestellungen fokussieren rund um Familie, Persönlichkeit, Teamentwicklung, Strategieentwicklung, Kommunikation oder Business-Coaching.
Bei der Fachberatung und Prozessberatung handelt es sich um zwei unterschiedliche Beratungsansätze mit unterschiedlichen Disziplinen (siehe dazu auch: Beratung ist nicht gleich Beratung | Schrift Nr. 12: KMU Nachfolge-Beratung):
Welche Themen werden im Rahmen einer Nachfolgeberatung behandelt?
Die Themen bei einer Unternehmensnachfolge sind vielfältig und vielschichtig und betreffen sowohl sogenannte Hard-Factor-Themen (z.B. Finanzen, rechtliche Fragen) wie auch Soft-Factor-Themen (Themen, bei denen es um Menschen, Beziehungen, Gefühle geht).
Inhaltlich unterscheide ich zwischen drei verschiedenen Ebenen, die je nach gewählter Nachfolge-Lösung unterschiedlich ins Gewicht fallen und bei der Nachfolgeberatung entsprechend zum Tragen kommen.
Bei der Ebene “Fachliche Themen” geht es um Aspekte wie Betriebswirtschaft, Zivil- oder Steuerrecht. Die Ebene “Prozessthemen” umfasst technische, organisatorische und kommunikative Prozesse, die sichergestellt werden müssen. Auf der Ebene “persönliche Themen” geht es Aspekte wie Loslassen, es geht um Kompetenzen und Fähigkeiten der übernehmenden Generation oder um Teamentwicklungsmassnahmen, um einige Beispiele zu nennen.
Ebene “Fachliche Themen”
Die offensichtlichsten Themen bei einem Nachfolgeprozess sind jene auf der fachlichen Ebene. Dazu gehören Aspekte wie Unternehmensbewertung, das Lösen zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Fragen. Es handelt sich dabei um sogenannte „Hard-Factor-Themen”, ohne deren Bearbeitung eine Unternehmensnachfolge in der Regel nicht lösbar ist. Vermutlich stehen sie auch deshalb meist im Zentrum der Beratung von vielen Nachfolgeberater:innen. Die Lösung dieser Themen ist mit dem heutigen Wissensstand von Fachexpertinnen wie z.B. Wirtschaftsprüfern, Juristinnen und Steuerberatern meist gut zu bewältigen oder eben, wie auf der Webseite vieler Anbieter zu lesen ist, „zu regeln“.
Der oft verwendete Terminus „Nachfolge-Regelung“ dürfte nicht unwesentlich dazu beitragen, dass die involvierten Parteien mitunter der Auffassung sind, dass man mit der klaren analytischen Bearbeitung der Themen den Generationenwechsel „geregelt“ bekommt. Die Nachfolge wird so oft – vor allem familienintern oder unternehmensintern — zu einem technischen Projekt „degradiert“. Dies ist meines Erachtens aber aus verschiedenen Gründen ein Trugschluss. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Unternehmensbewertung, als solche ein Teilaspekt der Nachfolgeregelung: Möchte man den Preis der Firma herleiten, braucht es einerseits die rationale und fachkundige Bewertung des Unternehmens. Andererseits spielen Emotionen eine massgebliche Rolle, um den Preis letztendlich zu definieren (siehe dazu auch: KMU Nachfolge und der emotionale Wert).
Ebene “Prozessthemen”
Die Prozessthemen beinhalten sowohl Hard- wie auch Soft-Factor-Aspekte. Zu den Hard-Factor-Aspekten gehören Fragen rund um den Prozessablauf der Unternehmensnachfolge, wie z.B. organisatorische Fragen, Fragen zur Terminklärung, das Führen einer To-Do-Liste und ähnliche Aufgaben. Im Gegensatz dazu sind Fragen rund um die Kommunikation und darum, wie man die Transformation zwischen zwei Generationen oder innerhalb eines Unternehmens gestalten möchte klare Soft-Factor-Themen der Prozessgestaltung. So verstanden handelt es sich bei der Unternehmensnachfolge nicht ausschliesslich um ein Projekt-Management im engeren Sinn, sondern je nach Situation um eine feinfühlige und situative Nachfolge-Gestaltung. Von der fachlichen Zuständigkeit her könnten für die Hard-Factor-Themen zum Bespiel Fachpersonen aus der Organisationsentwicklung wirken, während für die Soft-Factor-Themen Beratungspersonen mit Kommunikationsexpertise im Vordergrund stehen.
Ebene “Persönliche Themen”
Oft spielen bei den involvierten Schlüsselpersonen die individuelle Persönlichkeit, Routine und Muster hinein, die je nach Situation für den Nachfolgeprozess fördernd oder hindernd sein können. Ich denke da zum Beispiel an Fähigkeiten und Kompetenzen der Involvierten, an den Prozess des Loslassens, Selbstein- und auch ‑überschätzung sowie an die Art und Weise, wie Beziehungen gepflegt werden oder mit Ängsten umgegangen wird. Solche Themen anzusprechen, ist eine Herausforderung und daran zu arbeiten, ist für alle anspruchsvoll. Um diese Themen erfolgreich bearbeiten zu können, braucht es persönliche Fachkompetenz, meistens viel Zeit und ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zwischen der beratenden Fachperson und dem betroffenen Individuum. Berufsleute, die das Vertrauen der Unternehmerschaft in diesem Bereich gewinnen, bezeichne ich als persönliche Berater:innen.
Nachfolgeberatung als ergänzende oder eigenständige Dienstleistung
Nachfolgeberatung als Dienstleistung kann sich ergänzend aus Diensten ergeben, die bereits beim Kunden geleisteten worden sind oder als eigenständige Beratung, wenn sich ein Dienstleister auf das Thema Nachfolge spezialisiert hat.
Eine Nachfolgeberatung als ergänzende Dienstleistung liegt zB vor, wenn eine Buchhalterin oder der Wirtschaftsprüfer, der als ursprüngliche Dienstleistung die Bücher führt und prüft, auch mit der Nachfolge betraut wird. Oder wenn die Juristin, die als ihre ursprüngliche Kompetenz juristische Fragen löst und Rechtsauskünfte erteilt, dank dem Vertrauensverhältnis und als langjährige Wegbegleiterin des Unternehmens mit dem Thema der Nachfolge beauftragt wird.
Bei einer Nachfolgeberatung als ergänzende Dienstleistung sollten folgende Fragen kritisch gestellt und Antworten darauf gegeben werden:
- Besteht die Gefahr, dass der langjährige Dienstleister bei sogenannten Bestandes-Kunden hinsichtlich dem bevorstehenden Generationenwechsel “blinde Flecken” hat und ihm als Folge davon die notwendige oder gewünschte Distanz fehlt?
- Ist die langjährige Dienstleisterin kompetent für die weiterführenden Themen der oben umschriebenen thematischen Ebenen 2 und 3 und kann sie diesen gerecht werden oder ist es möglicherweise zu viel “Neuland” ausserhalb der eigenen Kernkompetenz
Vor allem Themen der persönlichen Ebene lassen sich nicht allein mit betriebswirtschaftlichen und juristischen Kenntnissen lösen; vielmehr ist dieses oft “sich Bewegen in seichtem und oft trüben psychologischem Gewässer” anspruchsvoll und mit vielen Unwägbarkeiten — ja gar mit nicht erklärbaren Irrungen und Wirrungen — verbunden. Das Waten in solchen Gewässern verlangt meistens sehr viel Fingerspitzengefühl und insbesondere die Fähigkeit des Beraters und der Beraterin, ganz genau hinzuhören und nicht nur auf sondern ebenso zwischen den Zeilen zu lesen.
Nachfolgeberatung als eigenständige Dienstleistung
Den Beruf der Nachfolgeberatung als solches gibt es nicht. Es gibt aber auf das Thema Nachfolge spezialisierte Dienstleisterinnen und Dienstleister. Gleichwohl sind die Dienstleistungen, die dahinterliegenden Geschäftsmodelle und Erfahrungen sehr unterschiedlich, sodass Berufsleute jedwelcher Herkunft sich als Nachfolgeberater bezeichnen (können). Unternehmerinnen und Unternehmer haben es so schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen und die passende Form zu finden.
Im Kern können und müssen drei mögliche Settings in Verbindung mit der bevorstehenden Komplexität für die Zusammenarbeit reflektiert werden:
- Variante I: Die übergebende Unternehmerin selbst behält die Verantwortung für den Nachfolgeprozess und setzt punktuell Spezialisten ein, um fachspezifische Fragen (mit Hard-Factor und Soft-Factor-Aspekten) zu klären.
- Variante II: Der übergebende Unternehmer beauftragt mit dem Nachfolge-Mandat einen unabhängigen Generalisten, der mit Hard- und Soft-Factor-Fragen vertraut ist; dieser löst aufgrund seines Fachwissens und der Erfahrung die anstehenden Fragen selbst.
- Variante III: Die übergebende Generation beauftragt mit dem Nachfolge-Mandat eine Prozessberaterin mit „GU-Kenntnissen”; diese treibt den Nachfolge-Prozess voran, indem sie für die Lösung von Einzelfragen Fachspezialisten beizieht, die Resultate koordiniert und gegenüber der Auftraggeberin Lösungsoptionen für die Unternehmensnachfolge vertritt.
In der schweizerischen KMU-Welt und aus Kostengründen dürfte für viele Auftraggeber die Variante II im Vordergrund stehen. Variante I verstösst gegen den Grundsatz, dass man in eigener Sache ein schlechter Ratgeber ist; Variante III verlangt eine bestimmte Mandatsgrösse und bedingt, dass der GU-Berater bei allen Themen eine seriöse Sach- und persönliche Kompetenz mitbringt.
Wie lässt sich der Mehrwert einer eigenständigen Nachfolge-Dienstleistung messen?
Nach dem Gesagten bleibt die Frage, wie sich der Mehrwert einer eigenständigen Nachfolge-Dienstleistung misst. Der eigentliche Mehrwert der Nachfolge–Dienstleistung ist nicht immer kurzfristig messbar; vielmehr zeigt sich erst im Lauf der Jahre, ob die mit Unterstützung des Nachfolge-Beraters gewählte Nachfolge-Lösung nachhaltig ist. Die Frage darf gestellt werden, für wen die getroffene Lösung am Schluss gut sein soll. Soll die Lösung primär gut sein für den Verkäufer, die nachfolgende Generation und / oder das Unternehmen?
Idealerweise können alle drei “Parteien” im Nachgang mit gutem Gewissen sagen, dass die Lösung stimmig ist und funktioniert – auch wenn eine getroffene Lösung meines Erachtens nie perfekt ist, im Sinne dass die Wünsche aller Beteiligten maximal erfüllt werden können. Das ist nicht möglich. Ziel einer erfolgreichen Nachfolge sollte es vielmehr sein, im Dreieck “übergebende Generation – übernehmende Generation – Unternehmung» eine Win-Win-Win-Situation zu erzielen.
Welche Beratungspersönlichkeit passt zu mir und meinem Nachfolgeprozess?
- Wie viel Nähe und Distanz zwischen Kunde und Beratungsperson ist gut?
- Wie viel Abhängigkeit und Unabhängigkeit zwischen Kunde und Beratungsperson ist gesund?
- Wie viel intrinsische oder pekuniäre Motivation bringt die Beratungsperson mit?
- Soll die Beratung Interessensvertretung einer Partei sein oder Allparteilichkeit einbringen?
- Wie soll die Balance zwischen Fachberatungskompetenz und Generalistenwissen gestaltet werden?
- Wo liegt die Balance zwischen Hard- und Soft-Factor-Themen?
- Wie wird eine adäquate Kommunikation gegenüber den verschiedenen Anspruchsgruppen sichergestellt?
Mehr zum Thema Nachfolgeberatung
Für alle, die sich vertieft mit dem Thema “KMU Nachfolge-Beratung” auseinandersetzen möchten, empfehlen wir folgende weiterführende Inhalte:
- Schrift Nr. 12: KMU Nachfolge-Beratung
- Arbeitsmittel: Fragenkatalog für Berater:innen
- Video: Frank Halter über das St. Galler Nachfolge-Modell
Bildnachweis: Su_Gus / Shutterstock.com | Darstellungen: St. Galler Nachfolge, Josef Bühler
ÜBER JOSEF BÜHLER
Als Nachfolgeberater und ‑begleiter unterstützt und berät Josef Bühler Unternehmerinnen und Unternehmer. Er verfolgt dabei das Ziel einer nachhaltigen Unternehmensnachfolge. Den Nachfolgeprozess führt er im Interesse der Unternehmung und gleichzeitig mit Blick auf die übergebende wie auch die übernehmende Generation.