Fast alle finden es wichtig, den Nachlass zu regeln — die wenigsten kümmern sich aber konkret darum. Die Ergebnisse der jüngsten Erbschaftsstudie sind paradox- und wenig überraschend zugleich. Auch Unternehmerinnen und Unternehmer schieben die Nachlassplanung oft hinaus. Das kann fatale Folgen haben für Firma und Erbende.
Beim Thema Erben und Vererben wird es schnell komplex. Emotionale, finanzielle und rechtliche Aspekte vermischen sich. Wer seinen Nachlass planen möchte, durchläuft meist einen aufwühlenden Prozess. Ganz unabhängig davon, ob als Privatperson oder als Person, die unternehmerisch tätig ist und der vielleicht sogar eine Firma gehört. Diese Emotionen und die Komplexität sind vermutlich auch die Hauptgründe, weshalb viele Menschen die Nachlassplanung nicht angehen. Erst mit zunehmendem Alter beginnen sich die Menschen mit der Frage auseinanderzusetzen, aber auch dann meistens erst als Folge eines externen Impulses (wie z.B. eines Todesfalls im nahen Umfeld oder der eigenen Pensionierung) und sie tun es in einem ersten Schritt nur gedanklich. Aktive Massnahmen werden selbst dann selten ergriffen und die konkrete Planung wird weiter aufgeschoben.
Auch Unternehmer und Unternehmerinnen schieben die Nachlassplanung häufig auf die lange Bank, obwohl ihre Ausgangslage komplex ist — mit eigener Firma, anstehendem Nachfolgeprozess und meistens auch Immobilien, die zur Erbmasse gehören. Kommt hinzu, dass Antworten auf Fragen, die sich im Rahmen der Unternehmensnachfolge stellen, oft eng verknüpft sind, wie die Unternehmerin oder der Unternehmer den Nachlass zu regeln gedenkt.
Wie die Nachlassplanung die Nachfolge beeinflusst
Wenn eine Firma oder Immobilien im Spiel sind, dann wird eine Nachlassplanung noch komplexer und der Prozess braucht entsprechend viel Zeit. Sich rechtzeitig mit dem Nachlass zu befassen, bedeutet für Unternehmerinnen und Unternehmer: es frühzeitig zu tun und damit ihre — auch unternehmerische — Verantwortung wahrzunehmen. In den meisten Fällen ist die Nachlassplanung nämlich eng bis untrennbar mit Fragen rund um die Unternehmensnachfolge verknüpft.
Unternehmerinnen, die ihren Nachlass regeln, leisten nicht nur im Hinblick auf die eigene Nachfolge wichtige Grundlagenarbeit, sie schaffen mit einer konkreten Nachlassplanung auch klare Verhältnisse, wenn es zu einem unerwarteten Todesfall kommen sollte und stellen damit u.a. sicher, dass das operative Geschäft weiterlaufen kann. Gleichzeitig sind sie bei wichtigen Fragen bereits vorbereitet, wenn die eigene Nachfolge ansteht.
Unternehmerinnen und Unternehmer stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn sie ihren Nachlass regeln wollen. Eine Firma kann man nicht aufteilen wie ein Kontoguthaben.
Marc Maurer, Spezialist Unternehmensnachfolge ZKB
Versäumt eine Unternehmerin oder ein Unternehmer die Nachlassplanung, kann damit — im schlimmsten Fall — sogar die Zukunft der Firma gefährdet sein. Zum Beispiel dann, wenn es zum Familienstreit kommt oder das geerbte Geld nicht ausreicht, um Geschwister auszuzahlen.
Beispiel 1 — Unerwarteter Todesfall ohne Nachlassplanung
Ein verheiratetes Unternehmerpaar hat zwei Kinder: Kind 1 und Kind 2. Der Ehemann ist Patron eines Familienunternehmens und stirbt unerwartet. Er hinterlässt ein Nachlassvermögen von 1,2 Millionen Franken sowie das Unternehmen mit einem Nettowert von CHF 500’000.-.
Ohne geregelte Nachlassplanung geht die Hälfte des Vermögens an die Ehefrau, die andere Hälfte an die beiden Kinder – also je CHF 300’000.-. Wenn eines der Kinder die Firma übernehmen will, fehlen ihm dazu CHF 200’000.-. Ohne Ersparnisse oder eine geeignete Nachfolgelösung kann dieses Geld in der Regel nicht aufgebracht werden. Sollte es familienintern Streit geben, könnte dies im schlimmsten Fall das Ende des Unternehmens bedeuten.
Vor dem Hintergrund, dass über 40 Prozent der Nachfolgeregelungen von KMU innerhalb der Familie erfolgen, handelt es sich dabei um ein relevantes Szenario.
Bei familieninternen Nachfolgelösungen spielt das Erbrecht eine erhebliche Rolle. Der Kaufpreis und die Finanzierung einer Nachfolgelösung kann eng mit der privaten Nachlassregelung verknüpft sein und diese beeinflussen.
Marc Maurer, Spezialist Unternehmensnachfolge ZKB
Wenn die Firma innerhalb der Familie weitergegeben wird, ist das Erbrecht für die Nachfolgelösung zentral. Die Finanzierung der KMU Nachfolge kann eng mit der privaten Nachlassregelung verknüpft sein und diese beeinflussen.
Beispiel 2 — Familieninterne Nachfolge mit Verkäuferdarlehen
Ein verheiratetes Unternehmerpaar hat zwei Kinder: Kind 1 und Kind 2. Das Unternehmerpaar führt einen Familienbetrieb und vereinbart mit den beiden Kindern, dass Kind 1 den Familienbetrieb zum Preis von CHF 500’000.- übernimmt. Es gewährt Kind 1 ein sogenanntes Verkäuferdarlehen, d.h. Kind 1 muss den Kaufpreis nicht sofort bezahlen, sondern kann ihn mit den zukünftigen Gewinnen aus der Firma begleichen.
In einem Erbvertrag wird verbindlich festgehalten, dass alle Familienmitglieder den vereinbarten Kaufpreis als realen Wert und das Verkäuferdarlehen akzeptieren, dass keine Schenkung damit verbunden ist und Kind 1 somit von jeglicher Ausgleichpflicht bei einer späteren Erbteilung entbunden ist. Damit wird auch sichergestellt, dass der sogenannte “Mehrwertausgleich” für eine zukünftige Wertsteigerung der Firma ausgeschlossen wird.
Der Erbvertrag wird durch alle Familienmitglieder unterzeichnet und öffentlich beurkundet.
Unternehmerinnen und Unternehmer, welche die wichtigsten Punkte rund um ihre Nachlassplanung sauber und rechtzeitig regeln, vereinfachen den Übergang, vermindern Konfliktpotenzial und machen den Erbenden das Leben nicht unnötig schwer.
Immobilien und Unternehmen erhöhen das Konfliktpotenzial
Wenn Immobilien und Unternehmen Teil der Erbmasse sind, steigt nicht nur die Komplexität der Nachlassplanung, sondern auch das Konfliktpotenzial. Bei Unternehmerinnen und Unternehmern ist oft ein grosser Teil des Vermögens in der eigenen Firma gebunden. Nebst dem Vermögen haben Firmeneigentümer aber auch viel Zeit und Herzblut in das Unternehmen investiert. Es sind also vielschichtige Emotionen da sowie rechtliche und steuerliche komplexe Fragestellungen. Firmen können nicht übergeben werden wir ein Sparkässeli. All diese Aspekte zu klären und im Rahmen einer Nachlassplanung zu gestalten, ist ein Prozess, der oft mehrere Jahre dauert und der einer emotionalen Reise gleichkommt, bei der es um anspruchsvolle Themen geht wie Loslassen, Wert, Gerechtigkeit und Fairness.
Zu welchem Wert soll ein Erbe etwas bekommen und was bedeutet das für die anderen Erbenden? Wer empfindet was als gerecht und fair — und weshalb? Was ist eine Firma wert und zu welchem Preis soll sie verkauft werden? Wie sichert die übergebende Generation ihren Lebensunterhalt — und wie finanziert die übernehmende Generation den Firmenkauf?
Unternehmerinnen wollen ihre Nachfolge zu Lebzeiten regeln. Sie müssen sich deshalb besonders früh um ihre Nachlassplanung kümmern — dieser Prozess beansprucht viel Zeit.
Marc Maurer, Spezialist Unternehmensnachfolge ZKB
Die Erbschaftsstudie besagt: 90 Prozent der befragten unternehmerisch tätigen Personen stimmen zu, dass die Kinder gleich viel erben sollten und ebenso viele möchten Streit bei der Nachlassregelung vermeiden. Fast die Hälfte der Erbenden jedoch würden rechtliche Massnahmen ergreifen, wenn sie die Nachlassregelung aus ihrer Sicht nicht als gerecht empfinden.
Als fair empfundene Bedingungen und Gerechtigkeit sind somit auch bei der Nachlassplanung ein Schlüssel für erfolgreiche Lösungen. Es braucht dafür einen als gerecht empfundenen Prozess sowie ein Bewusstsein dafür, dass Verteilungsgerechtigkeit unterschiedlich interpretiert werden kann (Stichwort: Gleichheits‑, Leistungs- und Bedürfnisprinzip). Familienmitglieder haben unterschiedliche Auffassungen einer gerechten Nachlassplanung. Es ist deshalb wichtig, den Dialog zu führen und Erwartungshaltungen transparent zu machen.
Bei familieninternen Nachfolgelösungen kommt noch hinzu, dass die Involvierten in den zwei Systemen “Familie” und “Unternehmen” unterschiedliche Rolle innehaben und die Hüte, die sie tragen, je nach Situation wechseln: Handle und rede ich als Mutter, Inhaberin oder als CEO? Als Vater, VRP oder Übergeber? Als Tochter, potenzielle Nachfolgerin oder gestandene Berufsfrau? Sich der Rolle bewusst zu sein, in der man auftritt, spricht und handelt, ist zentral. Je nachdem, welchen Hut jemand trägt, geht es um andere Motive und Ziele. Sich der Rollen nicht bewusst zu sein, birgt hohes Konfliktpotenzial, wenn man untereinander interagiert.
Revidiertes Erbrecht — was Sie dazu wissen müssen
Wer keine Nachlassregelung trifft, für den gilt die gesetzliche Erbfolge. Diese ist unter dem neuen Erbrecht gleich wie früher. Neu haben Erblasser aber mehr Freiheiten bei der Verteilung des Erbes. Um diese Freiheiten auszuschöpfen, müssen Erblassende aber aktiv werden und ihren Nachlass mit einem geeigneten Nachlassinstrument regeln, z.B. in einem Testament oder mit einem Erbvertrag.
Das Kernstück der Erbrechtsrevision per Anfang 2023 ist die Erhöhung der Verfügungsfreiheit durch eine Verkleinerung der Pflichtteile: neu können Personen mit Nachkommen über die Hälfte ihres Vermögens frei bestimmen. Bestehende Testamente und Erbverträge bleiben unter dem neuen Erbrecht unverändert gültig. Dennoch ist es ratsam, die darin getroffenen Regelungen zu überprüfen. Insbesondere wenn Nachkommen oder Eltern auf den Pflichtteil gesetzt wurden, empfiehlt es sich, zur Vermeidung von Auslegungsfragen in einem Testamentsnachtrag klarzustellen, ob der Pflichtteil nach bisherigem Recht oder nach dem neuen Recht berechnet werden soll.
Wenn sich eine Familie nicht einig ist, erschwert die aktuelle Rechtslage eine familieninterne Nachfolge erheblich. Im schlimmsten Fall kann es sogar zur Liquidation kommen. Das soll sich nun ändern.
Marc Maurer, Spezialist Unternehmensnachfolge ZKB
Weitere Anpassungen beim Erbrecht, die geplant, aber noch nicht umgesetzt sind, sollen die familieninterne Unternehmensnachfolge erleichtern. Der Bundesrat hat dazu im Juni 2022 eine Botschaft verabschiedet. Die geplante Reform soll zur höheren Stabilität insbesondere von Schweizer KMU beitragen und Arbeitsplätze sichern.
So, wie die Rechtslage heute ist, werden familieninterne Nachfolgen verunmöglicht, wenn innerhalb der Familie keine einvernehmliche Einigung möglich ist. Dies führt immer wieder dazu, dass Firmen zerstückelt werden müssen oder im schlimmsten Fall sogar liquidiert, obschon sie zukunftsfähig wären.
Der Gesetzesentwurf sieht wesentliche Verbesserungen der heutigen Situation vor, unter anderem:
- Auch wenn keine erbrechtliche Regelung des Inhabers vorliegt, sollen künftig Gerichte auf Antrag einer Erbin oder eines Erben unter gewissen Voraussetzungen das gesamte Unternehmen zuweisen können. Damit soll eine Zerstückelung oder Schliessung von Unternehmen verhindert werden.
- Wenn die Unternehmung einem Erbe zugeschlagen wird, müssen pflichtteilsgeschützte Erben oft ausgeglichen werden. Neu sollen erbrechtliche Ausgleichszahlungen an Miterben aufgeschoben werden können, wenn dies zu Liquiditätsproblemen führt. Dies verhindert Finanzierungsprobleme und soll den Fortbestand der Unternehmung sichern.
- Eine weitere wichtige Änderung betrifft den Anrechnungswert eines Unternehmens. Dieser soll neu im Zuwendungszeitpunkt verbindlich festgelegt werden können. Das Fehlen dieser Regelung führte in der Vergangenheit unter Umständen zu hohen Ausgleichszahlungen, unlösbaren Finanzierungsfragen und nicht zuletzt oft zu Streit in der Familie.
Diese geplanten Bestimmungen erleichtern eine familieninterne Übernahme und ermöglichen mehr Gestaltungsraum, lösen aber nicht automatisch alle Herausforderungen, die familieninternen Unternehmensnachfolgen mit sich bringen.
Nachlassinstrumente — was Sie damit regeln können
Möchte man eine von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Regelung treffen, kann man dies tun, soweit dabei allfällige Pflichtteilsrechte und bestimmte Formvorschriften beachtet werden. Die weitaus häufigste Form, über sein Vermögen zu verfügen, ist das eigenhändige Testament.
Nachlassdokumente können an unterschiedlichen Orten aufbewahrt werden. Wer die Dokumente zuhause aufbewahrt, läuft Gefahr, die Dokumente zu verlieren oder dass jemand unbefugt Einsicht nimmt. Ein Testament sollte sicher aufbewahrt werden, zum Beispiel bei einem Notariat oder einer Bank.
Testament: Das sogenannte eigenhändige Testament muss vom Erblasser handschriftlich verfasst werden und den freien Willen des Testators klar und unmissverständlich wiedergeben. Wird ein Notar beigezogen, handelt es sich um ein öffentliches Testament. Das Testament kann jederzeit widerrufen oder geändert werden.
Erbvertrag: Im Gegensatz zum Testament ist der Erbvertrag ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das nur im gegenseitigen Einverständnis aller Vertragsschliessenden abgeändert oder aufgehoben werden kann. Der Erbvertrag ist mit öffentlicher Beurkundung unter Mitwirkung von zwei Zeugen zu errichten. Der Erbvertrag ist ein beliebtes Mittel, um den überlebenden Ehegatten gegenüber den Nachkommen zu begünstigen oder die Nachfolge bei Familienunternehmen zu regeln.
Ehevertrag: In einem Ehevertrag können verheiratete Paare ihre güterrechtlichen Verhältnisse regeln. Sie können festlegen, wie die Vermögenswerte im Falle einer Scheidung oder beim Tod eines Partners aufgeteilt werden. Wie mit dem Erbvertrag lässt sich auch mit einem Ehevertrag der überlebende Ehegatte gegenüber den Nachkommen begünstigen. Der Ehevertrag muss ebenfalls öffentlich beurkundet werden.
Anordnung für den Todesfall: Eine Anordnung für den Todesfall hält die Wünsche rund um den eigenen Tod und das Sterben schriftlich fest. Damit lassen sich Themen wie Bestattung, Trauermahl, Organspende oder Trauerfeier regeln.
Auf unserer Plattform finden Sie weiterführende Unterlagen. Unter anderem empfehlen wir Ihnen folgende Beiträge.
- Zur Studie: Schweizer Erbschaftsstudie 2023, ZKB | ZHAW
- Video Unternehmensnachfolge und Nachlassplanung: Marc Maurer mit wichtigen Empfehlungen für Unternehmerinnen und Unternehmer
- Blogbeitrag: Gerechtigkeit als Schlüssel für erfolgreiche Nachfolgelösungen
- Blogbeitrag: Wie verhandle ich einen fairen Verkaufspreis — trotz Emotionen?
- Blogbeitrag: Wie finanziere ich eine KMU-Übernahme? — Möglichkeiten und Grenzen der Nachfolgefinanzierung
Im Download-Center stellen wir Ihnen diverse Unterlagen und Arbeitsblätter kostenlos zur Verfügung.
Fotonachweis: Shutterstock
Zur Erbschaftsstudie | Ausgabe 2023
Die Schweizer Erbschaftsstudie 2023 hat untersucht, wie die Schweizer Bevölkerung ans Erben und Vererben herangeht. Für die Studie untersuchte die ZHAW School of Management and Law im Auftrag der Zürcher Kantonalbank das Thema Erben und Vererben. Ziel war es, das aktuelle Erbgeschehen in der Schweiz und insbesondere im Kanton Zürich zu beleuchten. Die Ergebnisse liefern Aufschluss über die Motive, die Erblassende bei der Nachlassplanung und Erbende bei der Erbverwendung antreiben. U.a. hat die Studie folgende Ergebnisse hervorgebracht:
- Die grosse Mehrheit erachtet es als wichtig, den Nachlass zu regeln.
- Dennoch hat sich fast die Hälfte der Befragten noch nicht um die Nachlassplanung gekümmert.
- Auch die Mehrheit der Unternehmerinnen und Unternehmer schiebt die Nachlassregelung vor sich her.
- Lebens- oder Ehepartner abzusichern, ist das wichtigste Ziel bei der Nachlassplanung.
- Konflikte sind die grösste Sorge der Erbenden und der Erblassenden.
Für die Erbschaftsstudie wurden insgesamt 1’017 Personen aus der Deutschschweiz befragt, die mindestens 40 Jahre alt waren und sich als künftige Erbende oder potenzielle Erblassende sehen. Unter den Befragten befinden sich 492 Erblassende, 109 Erbende sowie 416 Personen, die sich sowohl als Erblassende als auch als Erbendes sehen.