Viele Wege führen ins Unternehmertum. Was braucht es, damit der – vielleicht schon lang gehegte – Herzenswunsch Realität werden kann und wie stelle ich sicher, dass meine Vorstellungen, die ich von Unternehmertum habe, auch der Realität entsprechen? Wie Sie von Ihrer KMU-Vision nicht nur träumen, sondern diese auch konkret gestalten und wirksam umsetzen, darum geht es in diesem Blogbeitrag. Wir fokussieren uns dabei auf die KMU-Übernahme (Nachfolge) und nicht auf die Ausgangslage, eine Firma neu zu gründen.
Die Zutaten für Unternehmertum sind schnell auf dem Tisch ausgelegt – könnte man meinen: es braucht eine Firma, Durchhaltewillen, Köpfchen und Geld, die passenden Rahmenbedingungen und eine starke Vision. Wie nun aber gestaltet man daraus etwas, das weiter gedeiht, den eigenen Vorstellungen entspricht und einem erfüllt? Braucht es noch weitere Zutaten, um Unternehmertum zu leben und falls ja, was muss dabei beachtet werden?
Um den Traum vom Unternehmertum konkret zu gestalten und umzusetzen, braucht es aus unserer Perspektive:
- die passenden Rahmenbedingungen und dazu gehören: eine Firma, die passt, ein Umfeld, das meine Vision mitträgt und persönliche Rahmenbedingungen wie z.B. finanzielle Mittel, die Unternehmensübernahme möglich machen, aber auch Fähigkeiten und Kompetenzen, die mich dazu befähigen in die Rolle als Unternehmer:in hineinzuwachsen.
- viel Informationen und Transparenz: ich muss wissen (und verstehen), wie die Firma tickt, ich muss verstehen, wie der Mensch tickt, dem die Firma aktuell gehört und der sie führt und last but überhaupt nicht least muss ich mich selbst verstehen, meine Beweggründe, meine Werte und Erwartungshaltungen, meine Ziele und Prioritäten.
- auf die Realität überprüfte Erwartungshaltung, was Unternehmertum angeht: Was verbinde ich mit Unternehmertum und ist das auch die Realität, resp. kann diese Erwartungshaltung eingelöst werden, mit der Nachfolge, die ich ins Auge fasse?
- Und schliesslich, wenn das alles geklärt und gegeben ist, dann braucht es einen wirksamen Nachfolgeprozess. Einen Nachfolgeprozess, der im Idealfall von einer erfahrenen Person ganzheitlich begleitet wird und während dem man gemeinsam eine Nachfolgelösung gestaltet, die für alle Involvierten und auch für das Unternehmen nachhaltig tragbar ist und einen Gewinn darstellt.
Die vier Bereiche beeinflussen sich wechselseitig. Wir empfehlen ein schrittweises Vorgehen, um für sich Klarheit zu erlangen und sich so eine Grundlage zu erarbeiten, um der persönlichen Vision Leben einzuhauchen.
Vision und Selbstverständnis überprüfen
Wer davon träumt, Unternehmerin oder Unternehmer zu sein, sollte seine persönliche Vision kritisch hinterfragen und überprüfen, ob sie wirklich erstrebenswert ist — ganz allgemein und (falls schon bekannt) auch im konkreten Nachfolge-Kontext. Folgende Fragen sind zentral, um eine persönliche Vision der eigenen zukünftigen Unternehmertätigkeit zu entwickeln:
- Was verbinde ich mit Unternehmertun? Welche Vorstellungen, Erwartungen, Emotionen, Wünsche und Hoffnungen?
- Wieso möchte ich diese Arbeits- und Lebensform wählen?
- Weshalb macht es Sinn für mich?
- Welche Werte, Normen, Überzeugungen machen mich aus (Haltung)?
- Welche Fähigkeiten, Kompetenzen und persönlichen Ressourcen bringe ich mit (Bereitschaft)?
Entscheidend ist es, diese persönlichen Vorstellungen mit der Realität abzugleichen. Ist Unternehmertum in Realität das, was ich mir darunter vorstelle?
Wer Unternehmer sein will, braucht einen grossen Willen, Durchhaltevermögen und die Bereitschaft mit Dingen umzugehen, die man so nicht vorgesehen hat und auch unangenehm sein können.
Michael Müller, Nachfolger und Unternehmer
Hilfreich kann auch sein, die eigenen Vorstellungen für die Zukunft (Vision und Wünsche) und zur eigenen Person (Selbstverständnis, persönliche Situation und eigene Werte), mit Eindrücken von anderen Personen zu überprüfen und das Selbstbild mit einem Fremdbild zu ergänzen. Der Schritt zu einer persönlichen Standortbestimmung erfolgt damit schon fast fliessend.
Standortbestimmung für mehr Klarheit
Die eigene Vision, sich selber und die Rahmenbedingungen zu reflektieren, ist zentral. Auch für einen allfälligen Nachfolgeprozess, den man — je nachdem — später beschreitet. Nebst der Selbstreflexion empfehlen wir, auch mit einer Drittperson in den Austausch zu gehen, die auf dem Gebiet methodisch geschult und unternehmerisch erfahren ist. Wer die persönliche Motivation versteht und seine Werthaltungen und Überzeugungen kennt, schafft die Grundlage, um später mit der übergebenden Generation in den Dialog zu gehen und den Nachfolgeprozess und die persönliche Vision wirksam zu gestalten.
Ich habe mir selber die Frage oft gestellt, ob ich die richtige Person bin. Nur weil ich Familie bin, heisst das nicht, dass ich auch die richtige Person für die Zukunft der Firma bin.
Fabienne Schaub, Nachfolgerin und Unternehmerin
Eine Standortbestimmung sollte folgende Aspekte beleuchten:
- sich selbst als Person: Werte, Normen, Überzeugungen (Haltung), Fähigkeiten und Kompetenzen, Ressourcen (Bereitschaft), Handlung und Strukturen
- sein persönliches und familiäres Umfeld
- das Unternehmen und dessen Kultur, Strategie und Struktur
- Nachfolgeprozess
Je nach Nachfolgeform, die im Vordergrund steht, können bei der Standortbestimmung andere Fragen relevant sein. Mehr dazu finden Sie in unserem Dossier Schrift Nr. 03: KMU Nachfolge und meine Vision.
Passt es zusammen?
Nachdem ich mich mit mir und meinem Umfeld auseinandergesetzt habe und verstehe, weshalb ich für meine Vision brenne, für welche Werte ich stehe, was mir wichtig ist und wie meine Rahmenbedingungen sind, geht es in einem nächsten Schritt darum, das grosse Ganze zu betrachten und die Realisierbarkeit meiner Vision zu überprüfen.
Um dabei strukturiert vorgehen zu können, sollte man sich die drei Kernparteien vor Augen zu führen, um die es bei einer Nachfolge geht, nämlich:
- die Partei, die verkauft / übergibt (Übergeber:innen)
- die Partei, die kauft / übernimmt (Nachfolger:innen)
- das Unternehmen (Verkaufs-/ Übertragungsobjekt)
Um zu erfahren und zu verstehen, wie die Firma und der Mensch tickt, der die Firma aktuell führt und dem sie gehört, dafür braucht es Information und Transparenz. Sich dieses Wissen anzueignen und es gezielt zu erhalten, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im Rahmen eines Nachfolgeprozesses.
- Inwiefern stimmen die Haltung Vorgänger/Verkäufer – Unternehmenskultur – Haltung Nachfolge/Käufer überein und was bedeutet das für mich und meine Vision?
- Ist Unternehmertum für mich in diesem Kontext die gewünschte berufliche Vision?
Die Informations-Asymmetrie ist je nach Nachfolgeform (FBO, MBO oder externer Nachfolge-Interessen) unterschiedlich ausgeprägt, bedeutet aber in jedem Fall ein gewisses Risiko für den Erfolg des Nachfolgeprozesses.
Eine grosse Herausforderung ist der Informationsstand, der nicht der gleiche ist. Es ist wichtig, dass im ständigen Dialog ein Wissenstransfer stattfindet und Informationen abgeglichen werden.
Claudia Buchmann, Nachfolgeexpertin
Es braucht Transparenz, damit der Wissensstand der Parteien angeglichen werden kann. Ein gemeinsamer Dialog, in dem Haltung, Werte und Kultur thematisiert werden, kann dabei hilfreich sein.
Die „Formel der gelingenden Nachfolge” als Kompass
Selbst wenn diese ersten Schritte erfolgreich verlaufen – eine Garantie für eine gelingende Nachfolge ist das noch nicht. Damit die Nachfolge und damit die Verantwortungsübergabe oder das gemeinsame Wahrnehmen dieser Verantwortung gelingt, braucht es spätestens dann, wenn man sich im Nachfolgeprozess befindet ein Loslassen und ein Übernehmen. Bei diesem Prozess ist ein subtiles Zusammenspiel der drei Faktoren Wollen, Können und Dürfen vonnöten. Wir haben daraus die Formel der gelingenden Nachfolge abgeleitet:
Nur wenn die übergebende Generation loslassen will, kann und darf und die übernehmende Generation gleichzeitig übernehmen will, kann und darf, ist die Voraussetzung gegeben, dass ein Nachfolgeprozess erfolgreich verlaufen kann.
Auf unserer Plattform finden Sie weiterführende Unterlagen, um das Thema zu vertiefen. Unter anderem empfehlen wir Ihnen folgende Beiträge:
- Dossier: Schrift Nr. 03: KMU Nachfolge und meine Vision
- Unternehmerin Fabienne Schaub im Gespräch (Video): Als Tochter die Nachfolge antreten — wie Tochter und Vater den Prozess gemeinsam und wirksam gestalten
- Unternehmer Michael Müller im Gespräch (Video): Als Sohn die Nachfolge antreten — die Geschichte eines langen Entscheidungsweges
- Nachfolgeexpertin Claudia Buchmann im Gespräch (Video): Von der Nachfolge-Vision zur gelebten Realität – den Herzenswunsch Unternehmertum konkret gestalten
- Interview mit Ladina Schmidt: Familienunternehmen und die Frage der Nachfolge — wie Töchter und Söhne gute Antworten finden
Im Download-Center stellen wir Ihnen diverse Unterlagen und Arbeitsblätter kostenlos zur Verfügung.
Fotonachweis: Shutterstock | Abbildungen: © St. Galler Nachfolge