Firmen, die von mehreren Generationen gleichzeitig geführt werden, können als Mehrgenerationen-Unternehmen bezeichnet werden. Gerade bei familiengeführten KMU arbeiten im Rahmen der Nachfolge oft zwei Generationen noch über mehrere Jahre zusammen. Wie kann die Zusammenarbeit verschiedener Generationen unter demselben Firmendach gut gelingen und wie können zwei Generationen miteinander eine Firma erfolgreich führen?
Mit dem Thema “Mehrgenerationen-Unternehmen” sind viele spannende Fragen verbunden. Welche Voraussetzungen eine Firma braucht, damit sie sich über mehrere Generationen hinweg erfolgreich entwickeln kann, damit haben wir uns im Blogbeitrag 36 befasst. Nun setzen wir uns damit auseinander, weshalb es einigen Firmen gut gelingt, dass zwei Generationen unter dem gleichen Firmendach zusammenarbeiten und andere über die Konstellation stolpern. Was braucht es also für die erfolgreiche Zusammenarbeit verschiedener Generationen? Wie auch bei Firmen, die über viele Generationen hinweg Bestand habe, fördern bestimmte Rahmenbedingungen den Erfolg. Folgende vier Empfehlungen erachten wir als wesentlich:
- ein klares Bewusstsein für Rollen zu haben,
- Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten klären,
- vorhandene Ressourcen nutzen sowie
- Transparenz und klare Kommunikation, Neugier und Toleranz.
Klares Bewusstsein für Rollen
“Denke und spreche in Rollen” — dies ist eine unserer wichtigsten Empfehlungen. Es geht dabei darum, mit welchem Hut jemand eine Situation beurteilt — tut die Person es aus der Perspektive als Familienmitglied, als Führungsperson im Unternehmen oder als Eigentümer:in der Firma? Auch wenn ich um Rat gefragt werde oder eine Empfehlung abgebe, ist es relevant, in welcher Rolle ich das tue. Antworten und Tonalitäten fallen unterschiedlich aus, je nachdem, welchen Hut jemand gerade trägt.
Dieses Bewusstsein ist für alle Involvierten relevant. Und es ist relevant, dass allen klar ist, wer in welcher Rolle gerade handelt, denkt oder spricht. Es kann zu Irritationen und Missverständnissen führen, wenn die Tochter als Unternehmensperson eine Frage stellt und der Vater diese als Familienmitglied beantwortet.
Beim Generationenwechsel müssen Rollen angepasst werden. Alte Muster müssen verlernt und neue Verhaltensweisen eingeübt werden.
Claudia Buchmann, Nachfolgeexpertin St. Galler Nachfolge
Diese Rollenklarheit zu erlangen und sie transparent zu machen, kann anspruchsvoll sein und es kann sein, dass es dafür auch Übung braucht (im Sinne von Üben / Trainieren). Vor allem für Menschen, die viele Jahre oder Jahrzehnte verschiedene Funktionen in sich vereint haben, z.B. Eigentümer:in waren und gleichzeitig das Verwaltungsratspräsidium und die CEO-Funktion inne hatten, ist es ein Novum und meistens auch ein anspruchsvoller Schritt, im Rahmen des Nachfolgeprozesses den einen oder anderen Hut vorzeitig und vor allem auch konsequent abzulegen.
Auch für nachfolgende Generationen ist diese Rollenklarheit ein wichtiger Schlüssel. Nachfolgerinnen und Nachfolgern gelingt es in der Regel viel besser eine gesunde Autorität im Unternehmen zu erreichen, wenn Sie z.B. ein Anliegen explizit in der Rolle als Abteilungsleiter oder als Geschäftsführerin adressieren und nicht als Privatperson.
Eine generationenübergreifende Zusammenarbeit bedeutet somit, dass langjährig eingeübte und verinnerlichte Rollen verändert (übergebende Generation) und neue Rollen angemessen eingenommen (übernehmende Generation) werden müssen. Dieser Prozess ist für alle Beteiligten spannend und fordernd. Muster, die über viele Jahre (oft intuitiv und unbewusst) gelebt worden sind, werden nun aktiv gestaltet und bewusst verändert.
Gremien und deren Aufgaben klären
Eine weitere wichtige Rahmenbedingung, damit die Zusammenarbeit zwischen den Generationen erfolgreich gelingt, ist Klarheit im Bezug auf die Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten der verschiedenen Gremien. Es muss geklärt und definiert werden, was in die Abteilungsleitung gehört, was in die Geschäftsleitung, was in den Verwaltungsrat und was wiederum in die Generalversammlung.
Ziel ist es, für jede Gremiumsstufe die jeweils passende “Flughöhe” sicherzustellen. Der Entscheid, ob es einen Fahrradständer braucht oder nicht, absorbiert auf Stufe Verwaltungsrat oder Generalversammlung in aller Regel zu viel Zeit und Energie.
Die Aufgaben und Anforderungen zu definieren, ist der erste Schritt. Im Anschluss folgt die Umsetzung und damit verbunden auch ein Einüben der meist neuen Aufgabenverteilung. Wichtig ist es, dass der Aufgabenteilung auch im operativen Alltag hohe Aufmerksamkeit geschenkt wird und bei den verschiedenen Schnittstellen.
Nutzen von vorhandenen Ressourcen
Wenn die Anforderungen an Funktionen und Gremien definiert sind, dann können diese personell besetzt werden. Dabei ist die Kontrollfrage zentral, ob die entsprechenden Individuen, die für eine Funktion oder ein Gremium vorgesehen sind, den Anforderungen gerecht werden oder (noch) nicht.
Ein kritischer und ehrlicher Blick ist dabei wichtig. Gleichwohl ist unsere Beobachtung in der Praxis oft, dass der Fokus fast ausschliesslich auf den Defiziten liegt und weniger auf den Potenzialen. Die erste Frage könnte deshalb sein: Welche Stärken und Potenziale sind da und wie können wir diese Fähigkeiten oder Kompetenzen für das Unternehmen konstruktiv nutzen und einsetzen?
Welche Potenziale und Stärken sind da — und wie kann die Firma davon profitieren? Was darf sich noch entwickeln und wie? Konkrete Entwicklungspläne sind ein Schlüssel zum Erfolg.
Niemand ist vollständig oder perfekt — weder eine Firma noch eine Organisation noch die Personen, welche eine Organisation oder eine Firma ausmachen. Die Frage ist zentral, wie das Unternehmen und die Organisation sich entwickeln kann, soll und darf, ebenso wie die einzelnen Individuen.
Konkrete Entwicklungspläne sind ein Schlüssel zum Erfolg! Wenn sich diese Entwicklungspläne an einer klaren Vision und Strategie orientieren können, die sowohl für das Unternehmen wie auch für die Familie Gültigkeit haben, wird die konkrete Ausgestaltung und Ausrichtung der Pläne einfacher. Das gemeinsame Ziel hat dabei die Funktion eines Leitsterns. Ressourcen aufeinander abzustimmen und in die gleiche Richtung auszurichten, wird damit einfacher.
Toleranz, Neugier, Transparenz und Kommunikation
Arbeiten verschiedene Generationen gemeinsam unter demselben Dach, befinden sich dort auch verschiedene Welten, die aufeinanderprallen können. Die unterschiedliche Sichtweisen, die Generationen mit sich bringen, sind interessant und können im besten Fall zu ganz neu gedachten Lösungen führen.
Damit dies gelingen kann, braucht es gegenseitige Toleranz und die Neugier, sich auf etwas Neues einzulassen. Weitere Voraussetzungen sind Transparenz und Kommunikation. Transparenz erhöht die Möglichkeit, allfällige Unterschiede kennenzulernen und diese wiederum können nur mittels Kommunikation bekannt gemacht und untereinander weiterentwickelt werden.
Die Faust im Sack — die wir als Strategie notabene generell nicht empfehlen — kann gerade in Mehrgenerationen-Unternehmen viel Schaden anrichten, die Entwicklung ausbremsen und für Unmut und Missverständnisse sorgen. Damit Neues entstehen und der Generationenwechsel zusammen und miteinander gelingt, braucht es vielmehr die Bereitschaft, in Raum und Zeit zu investieren, in neue Ideen und den gemeinsamen Dialog.
Auf unserer Plattform finden Sie weiterführende Unterlagen zum Thema. Unter anderem empfehlen wir Ihnen folgende Beiträge:
- Weshalb die Hüte bei der Führungsnachfolge so wichtig sind (Blog 20)
- Dossier: KMU Führungsnachfolge (Schrift Nr. 11)
- Arbeitsmittel Führungsnachfolge: “Governance-Rollen & Führungsverhalten”
- Dossier: KMU Nachfolge — ist Herkunft die Zukunft? (Schrift Nr. 5)
- Arbeitsmittel Fragebogen Strategie-Check (für Verkäufer:innen)
- Arbeitsmittel Fragebogen Strategie-Check (für Nachfolger:innen)
- Download PDF “Führungsnachfolge: Governance-Rollen & Führungsverhalten”
- Claudia Buchmann im Gespräch: Mit Governance die Führungsnachfolge stärken
- Lisa Benz im Gespräch: Mit Führungsrollen neue Perspektiven eröffnen
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Fotonachweis: Shutterstock