Fast jede Branche leidet derzeit darunter, dass Fachkräfte gesucht, aber nicht gefunden werden. Handwerksbetriebe wie auch Dienstleistungsstätten buhlen gleichermassen um Fachpersonen. Steht bei dieser Ausgangslage auch noch ein Generationenwechsel an, kann das eine zusätzliche Herausforderung für den Nachfolgeprozess bedeuten. Was können Firmen tun, damit Mitarbeitende gerne bleiben? Wir stellen Ihnen einen Katalog mit Möglichkeiten vor.
Jüngste Zahlen zeigen: die Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften hat sich in der Schweiz im Jahr 2023 weiter verschärft. Das zeigt sich auch in vielen Beispielen, die uns im KMU-Alltag begegnen. Wenn z.B. das Säli im Restaurant Hirschen bis auf weiteres geschlossen bleibt und es heisst: “Wir finden zu wenig qualifiziertes Servicepersonal, um das beliebte ‘Säli’ betreiben zu können.” Oder wenn sich Umbauarbeiten verzögern und es heisst: “Den Ausbau Ihres Wintergartens übernehmen wir sehr gerne. Allerdings können wir damit frühestens in 6 Monaten beginnen. Wir, wie auch unsere Zulieferer haben leider nicht genügend Fachpersonal, um den Auftrag in nächster Zeit auszuführen.”
Ein Patentrezept, diesem Mangel an Fachkräften entgegenzutreten, gibt es nicht. Dies gleich vorweg. Einerseits gehen die Meinungen zu wirksamen Massnahmen auch bei diesem Thema auseinander, andererseits haben die individuellen Rahmenbedingungen einer Firma und einer Branche einen entscheidenden Einfluss darauf, welche Massnahmen im konkreten Fall sinnvoll sind und Wirkung entfalten. Trotzdem sollten sich Unternehmerinnen und Unternehmer damit auseinanderzusetzen, was Mitarbeitende motiviert zu bleiben oder sich als Fachkraft auf eine ausgeschriebene Stelle zu bewerben.
Fehlt es an Fachkräften, so kann das die Nachfolgefähigkeit einer Firma in Frage stellen.
Personell gut aufgestellt zu sein, ist auch im Kontext der Nachfolge relevant. Eine Firma, der es an Fachkräften fehlt, schwächt ihre Nachfolgefähigkeit. Das ist ernst zu nehmen: die Nachfolgewürdigkeit und die Nachfolgefähigkeit einer Firma und potenzieller Nachfolger:innen haben einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf des Nachfolgeprozesses.
Es stehen dabei die Fragen im Raum, ob ein Unternehmen auf dem Markt auch in den kommenden 5–10 Jahren eine Daseinsberechtigung hat und somit auch nachfolgewürdig ist. Einerseits. Und andererseits, ob das Unternehmen intern mit seinen Prozessen und Strukturen so aufgestellt ist, dass es auch erfolgreich weitergeführt werden kann, wenn die aktuelle Inhaberin oder der aktuelle Inhaber nicht mehr die Fäden in der Hand hält. Ist dies der Fall, ist die Firma auch nachfolgefähig.
Ansätze, damit qualifiziertes Fachpersonal gerne bleibt
Die Mitarbeitenden sind das Rückgrat jeder Unternehmung. Ohne qualifiziertes und motiviertes Personal findet keine Wertschöpfung statt. Ohne Wertschöpfung kann ein Unternehmen nicht existieren und die Wirtschaft nicht gedeihen. Was also tun, um als Unternehmerin und Arbeitgeber dem Fachkräftemangel entgegenzutreten?
In bestehende Mitarbeitende zu investieren, ist wichtig und zahlt sich aus.
Das “Wundermittel” gibt es nicht. Verschiedene Massnahmen, um qualifiziertes Personal langfristig motiviert im Betrieb zu halten, können aber ergriffen werden. Wichtig dabei ist, dass die Massnahmen aus Überzeugung und auf allen Führungsebenen im Unternehmen gelebt werden und Anwendung finden. Tönt selbstverständlich — erweist sich in der Praxis aber regelmässig als Herausforderung. Darauf gilt es ein Augenmerk zu legen.
Folgende Ansätze haben sich bewährt, um die Bindung von Mitarbeitenden an die Firma zu fördern oder zu erhöhen.
Wettbewerbsfähige Vergütung
Eine angemessene und wettbewerbsfähige Bezahlung ist entscheidend, um Talente anzuziehen und zu halten. Stellen Sie sicher, dass die Gehälter und Zusatzleistungen mindestens den Branchenstandards entsprechen oder höher liegen. Auch eine Pensionskasse mit guten Leistungen ist relevant. Wenn Sie als Arbeitgeberin höhere Beiträge einzahlen, leisten Sie einen Mehrwert und heben sich von Mitbewerbern ab. Darauf schauen vor allem Mitarbeitende ab Mitte 40 und je älter man wird, umso wichtiger wird dieses Thema für eine Person.
Entwicklungsmöglichkeiten
Bieten Sie gezielt auf die Person und Funktion abgestimmte Fortbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten an. Mit dem neu und zusätzlich erlangtem Wissen steigern Sie nicht nur die Motivation und Fähigkeiten Ihrer Mitarbeitenden, sondern erhöhen damit auch deren Produktivität und letztendlich Ihren Unternehmenserfolg.
Förderung der Work-Life-Balance
Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben ist für jede Person wichtig. Flexible Arbeitszeiten, Remote-Arbeitsmöglichkeiten und Urlaubsregelungen können dazu beitragen, dass sich die Mitarbeitenden wohlfühlen, die nötige Erholung finden und damit am Ende eine bessere, überdurchschnittliche Arbeitsleistung erbringen. Dabei nicht zu unterschätzen sind die positiven Auswirkungen auf das gesamte Team, wenn die Mitarbeitenden Zufriedenheit ausstrahlen und Spass an der Arbeit haben.
Anerkennung und Wertschätzung
Dies ist vermutlich einer der wichtigsten Punkte — und trotzdem hört man immer wieder, dass Anerkennung und Wertschätzung fehlen. Sei dies im Team, der Abteilung oder der ganzen Organisation. Dabei ist Anerkennung und Wertschätzung die Basis für menschliches Zusammenarbeiten in einer professionellen Arbeitskultur. In einer wertschätzenden Arbeitsatmosphäre haben konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge Platz und können ausgesprochen werden. Eine solche Kultur zu etablieren, braucht Commitment, Zeit und Training. Es ist eine Haltung, die man erlernen kann.
Eine wertschätzende Haltung ist auch relevant, wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Die Verabschiedung scheidender Mitarbeiter:innen ist ebenso wichtig wie das Onboarding neuer Mitarbeitenden. Je nachdem, wie der Abschied verläuft, wird ein austretender Mitarbeiter positiv oder negativ über die Zeit im Unternehmen sprechen und damit potenzielle neue, qualifizierte Mitarbeitende ansprechen oder abschrecken (so wie auch Kunden). Und wer weiss, vielleicht ist gerade dieser Mitarbeiter, der geht, in ein paar Jahren ein geeigneter Kandidat für eine Schlüsselposition in der Firma oder sogar ein potenzieller Nachfolger.
Gute Arbeitsumgebung / ‑bedingungen
Schaffen Sie eine positive Arbeitsumgebung, in der sich die Mitarbeitenden wohl fühlen. Ein gutes Betriebsklima, klare Kommunikation und Teamarbeit sind wichtig. Auch der Arbeitsplatz sollte so gestaltet und eingerichtet sein, dass er die Mitarbeiterin dabei unterstützt, die beste Arbeitsleistung abzurufen. Das kann ein Stehpult für Büro-Mitarbeitende sein oder die Möglichkeit, nasse Arbeitskleidung in der Garderobe zu trocknen, wenn Personen auf dem Bau arbeiten.
Karriereentwicklung
Ermöglichen Sie Karriereentwicklung und Aufstiegschancen innerhalb des Unternehmens. Stellen Sie zusammen mit dem Mitarbeiter einen Entwicklungsplan auf. Zeigen Sie dabei auf, wo die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter zurzeit steht und wo sie oder er sich hin entwickeln kann, wenn das auch gewünscht ist. Mitarbeitende bleiben eher, wenn sie sehen, dass ihre Karriereziele im Unternehmen erreicht werden können.
Beiteiligung von Mitarbeitenden
Mitarbeitende, die sich an der Unternehmung beteiligen und damit direkt vom Erfolg partizipieren können, setzen sich mehr für das Unternehmen ein und bleiben langfristig an Board. Dies ist vor allem ab einer gewissen Führungsstufe, zum Beispiel der Geschäftsleitungsebene, ein geeignetes Instrument. Für die Ausgestaltung der Beteiligungsform gibt es verschiedenste Möglichkeiten. Wichtig ist es, diese mit Vorsicht, Sorgfalt und Weitsicht anzugehen.
Klare Kommunikation
Offene und transparente Kommunikation ist entscheidend. Mitarbeitende sollten gut informiert sein über die Unternehmensziele, wenn Veränderungen anstehen und was ihre Rolle angeht im Gesamtgefüge. Beziehen Sie Ihre Mitarbeitenden, wenn immer möglich, in Entscheidungen mit ein, von denen sie direkt betroffen sind. Damit können Sie Betroffene zu Beteiligten machen, was ganz wesentlich ist, wenn man Veränderungen gemeinsam meistern möchte. Es erhöht den Zusammenhalt in der ganzen Firma und schafft Verbindlichkeit.
Individuelle Anpassungen
Berücksichtigen Sie individuelle Bedürfnisse und schaffen Sie flexible Arbeitsbedingungen, um auf die verschiedenen Lebenssituationen Ihrer Mitarbeitenden einzugehen. Am Ende ist jedes Individuum unterschiedlich und es geht darum die beste Leistung herauszuholen. Dies bedingt, dass man sich miteinander auseinandersetzt und auf die Unterschiede eingeht und versteht, was eine Person braucht. Damit ist nicht gemeint, dass es ein “Wunschkonzert” geben soll, bei dem alle machen, was sie wollen.
Die passende Crew für die Reise, die ansteht
Die genannten Ansätze helfen einer Firma, die Unternehmensziele bestmöglich mit den richtigen Fachkräften zu erreichen. Dabei ist wichtig, dass ein Unternehmer oder eine Unternehmerin das Team so zusammenstellt, dass es für die spezifische Reise und die Ziele des Unternehmens optimal ausgerichtet ist. Ob man dabei — sinnbildlich gesprochen — über den Atlantik segelt oder auf heimischem Gewässer, macht ein wesentlicher Unterschied.
Auch bei der Nachfolge ist ein Team, das passt und funktioniert, die Grundlage, um als Firma nachfolgefähig zu sein. Gerade Unternehmen, die vor einem Generationenwechsel stehen, sollten das Thema Fachkräftemangel deshalb besonders berücksichtigen.
Auf unserer Plattform finden Sie weiterführende Unterlagen zum Thema. Unter anderem empfehlen wir Ihnen folgende Beiträge:
- Dossier: KMU Nachfolge — Unternehmensstrategie? (Schrift Nr. 5)
- Arbeitsmittel: Strategieprozess
- Studie: Fachkräftemangel Index Schweiz 2023
Im Download-Center stellen wir Ihnen diverse Unterlagen und Arbeitsblätter zu weiteren Themen rund um Nachfolge kostenlos zur Verfügung.
Fotonachweis: Shutterstock
ÜBER ROGER MUHR
Mit seiner Sachkenntnis für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und dem Flair für Menschen begleitet Roger Muhr KMU im Nachfolgeprozess und stellt dabei die Menschen und das Unternehmen ins Zentrum. Roger Muhr hat in Grosskonzernen, der Industrie, in einem Start-up und als selbständiger Unternehmer viele Erfahrungen gesammelt und ein breites Verständnis entwickelt für die Herausforderungen in diesen unterschiedlichen Arbeitswelten.