Blog 43: Die Führungsnachfolge stabil gestalten mit dem Spleissmodell

Wenn zwei Seile mitein­ander eine starke Verbindung eingehen sollen, dann reicht eine reine Klebe­stelle dafür nicht aus. Die zwei Seile müssen inein­ander verwoben werden. Man nennt dies Spleissen. Ein solches Spleissen braucht es — im übertra­genen Sinn — auch bei der Unternehmens­nach­folge. Eine einfache Klebe­stelle schafft keine Stabi­lität. Es braucht ein Einfädeln und ein Ausfädeln, damit der Genera­tio­nen­wechsel im Rahmen der Führungs­nach­folge nachhaltig über die Zeit gestaltet werden kann.

Im Rahmen der Führungs­nach­folge stellen wir uns immer wieder die Fragen, was über die Zeit ein gesunder Prozess ist für drei Parteien, um die es bei der Nachfolge geht: für die abtre­tende, überge­bende Generation, für die antre­tende, überneh­mende Generation und für das Unter­nehmen selbst. Dabei gibt es zwei Beobach­tungen, die wir regel­mässig machen.

Die erste Beobachtung bezieht sich auf die Generation, welche die Firma übergibt. Immer wieder beobachten wir, dass die abtre­tende Generation über zwei bis drei Jahrzehnte hinweg in eine Unter­neh­mens­grösse und Führungs­breite hinein­ge­wachsen ist, die beein­druckend ist. Es kamen immer mehr Aufgaben hinzu, Märkte und Unter­neh­mens­kom­ple­xität wurden über die Zeit grösser, die Verän­de­rungs­ge­schwin­digkeit nahm an Tempo zu. Viele reali­sieren erst in der Rückschau, in welchem Hamsterrad und Marathon sie unterwegs waren.

Die meisten sind in den letzten Jahren oder Jahrzehnten einen Marathon gelaufen. Sich dann unmit­telbar nach dem Zieleinlauf ins Bett zu legen, das ist für ein Individuum ungesund — das wissen wir aus dem Sport. Es braucht ein Auslaufen, einige Dehnübungen — man fährt das System wieder runter. 

Die zweite Beobachtung, die wir regel­mässig machen: die Anzahl Führungs­per­sonen ist nach einem abgeschlos­senen Führungs­nach­folge-Prozess grösser, als zum Zeitpunkt, als der Prozess der Nachfolge gestartet wurde. Oft wird im Laufe des Genera­tio­nen­wechsels eine Geschäfts­leitung ausge­weitet oder eine zweite Führungs­ebene einge­führt und aufgebaut. 

Es geht dabei auch um die grossen Fusstapfen, in die eine nächste Generation hinein­wachsen will oder soll, um über die Zeit dann eine eigene Spur zu hinter­lassen. Wenn wir nun auch hier nochmals auf das Bild des Marathons zurück­greifen, können wir sagen: Einen Marathon laufen zu wollen ohne jegliches Training, ist ebenfalls ungesund für das jeweilige Individuum. Es braucht ein Aufbau­training, um einen Marathon ein einem angemes­senen Tempo und gesund laufen zu können und das Tempo über die Zeit hinweg zu halten.

Spleiss-Modell in der Praxis

An diesem Punkt setzt unser “Nachfolge-Spleiss­modell” an. Inwiefern wir zwischen dem Spleissen und den Voraus­set­zungen für eine nachhaltig stabile Führungs­nach­folge Paral­lelen sehen, möchte ich an einem Praxis­bei­spiel aus unserer Beratungs­tä­tigkeit erklären. 

Es geht dabei um ein KMU, das seit über 20 Jahren von einem Ehepaar verant­wortet wird. Während dieser Zeit hat sich das Unter­nehmen von 10 auf 60 Mitar­bei­tende entwickelt und ist in zwei Geschäfts­feldern unterwegs. Der Vater verant­wor­tetet seit Jahr und Tag alles, was mit Technik, Kunden und Prozessen zu tun hatte. Die Mutter war für alle Themen rund um Finanzen und Personal zuständig. Wöchentlich haben sich die beiden abgestimmt und lebten damit ihre Form der Geschäfts­leitung. Auf dem Papier besetzten sie formal auch die zwei Verwal­tungs­rats­sitze. Eine eigent­liche Durch­führung von Verwal­tungs­rats­sit­zungen war aber gar nie notwendig. 

Für die Führungs­nach­folge hatte man das Ziel, dass künftig 2 Töchter und 2 Mitar­bei­tende gemeinsam die Geschäfts­leitung (inkl. Eigentum) übernehmen sollen. Damit diese Führungs­nach­folge gelingen konnte, war entscheidend, dass die Verän­derung der verschie­denen Rollen sich über die Zeit entwickeln konnte. Über den Zeitraum von fünf Jahren haben wir einen Plan erstellt, indem ersichtlich wurde, wie sich die einzelnen Mitglieder der künftigen Geschäfts­leitung in die Rollen und Aufgaben einfädeln und sich die überge­bende Generation zunehmend ausfädelt.

Es war ein Verweben und ein Verändern der unter­schied­lichen Rollen über die die Zeit hinweg. Als Resultat ist für das Unter­nehmen eine hohe Stabi­lität entstanden und Konti­nuität konnte sicher­ge­stellt werden.

Was die Führungsnachfolge prägt 

Wenn wir eine Führungs­nach­folge begleiten, machen wir in der Regel regel­mässig folgende Beobachtungen: 

  • Der Verwal­tungsrat wird als Gremium zum Leben erweckt und eine neue Routine wird antrainiert. 
  • Die Führungs-Crew ist in der Regel nach Abschluss der Führungs­nach­folge breiter aufge­stellt, im Vergleich zur Struktur vor dem Prozess.
  • Es braucht Zeit, sich auf neue und sich verän­dernde Struk­turen und Prozesse in der Führung einzulassen. 
  • Die Verant­wort­lich­keiten und Zustän­dig­keiten müssen sich über die Zeit verändern und laufend neu ajustiert werden. 
  • Es braucht aktive Team-Entwicklung, um eine schlag­kräftige Führungs-Crew aufzubauen.

Alle diese Prozesse sind dann nachhaltig erfolg­reich, wenn die Verän­derung konti­nu­ierlich und sorgfältig über die Zeit hinweg statt­finden kann. Wenn man bisherige Aufga­ben­felder und Rollen­bilder sorgfältig mit neuen Zielbildern, Bedürf­nissen und Erwar­tungen verwebt, kann ein Strick entstehen, der nicht so schnell reisst und die überge­bende Generation kann sich entspannt ausfädeln, wenn die Zeit dafür gekommen ist.

Mehr zum Thema

Auf unserer Plattform finden Sie weiter­füh­rende Unter­lagen zum Thema. Unter anderem folgende Beiträge:

Im Download-Center stellen wir Ihnen diverse Unter­lagen und Arbeits­blätter kostenlos zur Verfügung.

Fotonachweis: Shutter­stock sowie Encyclo­paedia Britannica (www.britannica.com)

Picture of Frank Halter

Frank Halter

Frank Halter ist ausgewiesener Nachfolgeexperte, der sich seit vielen Jahren mit Passion für Nachfolgelösungen einsetzt, die Bestand haben und für alle ein Gewinn sein sollen: für das KMU, für die übergebende und die übernehmende Generation. Er hat das St. Galler Nachfolge-Modell mitentwickelt und betreibt die «St. Galler Nachfolge-Praxis», eine unabhängige Plattform für Wissen und Erfahrung rund um das Thema Unternehmensnachfolge.

Das könnte Sie auch noch interessieren