Blog 45 | Übertragungsobjekt: was genau wird bei der Nachfolge eigentlich verkauft?

Was Gegen­stand der Eigen­tums­nach­folge ist und damit im Rahmen der Nachfolge konkret den Besitzer oder die Besit­zerin wechselt, ist nicht immer gleich so klar, wie man zu glauben meint. Es lohnt sich, frühzeitig einen diffe­ren­zierten Blick auf die Ausgangslage zu werfen, um sich klar zu werden, was denn nun verkauft wird — und was nicht. Diese Klarheit in Bezug auf das Übertra­gungs­objekt ist eine wichtige Grundlage, um den Nachfol­ge­prozess zielführend zu gestalten.

Umgangs­sprachlich hören wir oft die Formu­lierung: “Die Jungen wollen die Firma übernehmen”. So weit, so gut. Die Absicht, die Nachfolge antreten zu wollen, ist die Grund­vor­aus­setzung, um überhaupt den Prozess der Nachfolge anzustossen. Haben aber auch alle eine klare Vorstellung davon, was konkret “Gegen­stand” des Unter­nehmens ist, das man kauft, resp. verkauft? Vorder­gründig meint man schnell, man wisse, worum es gehen würde. Doch es lohnt sich, die unter­schied­lichen Formen von Trans­ak­ti­ons­mög­lich­keiten zu kennen.

Das Übertragungsobjekt aus juristischer Sicht

Beim Verkauf einer Kapital­ge­sell­schaft kauft die nachfol­gende Generation in der Regel die Aktien einer Aktien­ge­sell­schaft (AG) oder die Stamm­an­teile einer Gesell­schaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Das Wertpapier wechselt stell­ver­tretend für das ganze Unter­nehmen den Besitzer oder die Besit­zerin. Diese Art von Trans­aktion nennt man auch “Share Deal”.

Bei einem Share Deal gehen alle Rechte und Pflichten des Unter­nehmens im Rahmen der Handän­derung an den neuen Besitzer oder an die neue Besit­zerin. Soll also das “ganze” Unter­nehmen verkauft werden, dann ist ein Share Deal admini­strativ der einfachste Weg.

Beim Verkauf einer Einzel­firma oder einen Perso­nen­ge­sell­schaft handelt es sich in der Regel um einen sogenannten “Asset Deal”: es werden alle Einzel­ele­mente (= Assets) der Firma verkauft. Aus admini­stra­tiver Sicht bedeutet dies, dass in einem Kauf-/Verkaufs­vertrag alle einzelnen Elemente (vom Bürostuhl bis zum Arbeits­vertrag) aufge­führt werden müssen, wo eine Handän­derung statt­finden soll — die also verkauft werden.

Wenn Sie morgen den Schlüssel zu Ihrer Firma abgeben müssten, was würden Sie dann mitnehmen wollen?

Share und Asset Deal sind die beiden Grund­formen für einen Firmen­verkauf. Aus fachtech­ni­scher Sicht werden die beiden Formen unter­schiedlich behandelt. Die Wahl der Form hat also Einfluss auf Steuer­themen, die Finan­zierung und die Form der Verträge. In der Praxis gibt es nebst den beiden Grund­formen auch Misch­formen und Umgestal­tungs­mög­lich­keiten. Dabei werden im Vorfeld oder während der Trans­aktion die Grund­struk­turen gezielt verändert, entspre­chend festge­legter Ziele, die im Vorfeld zu klären sind. Dazu zwei Beispiele:

Beispiel 1: Eine Einzel­firma wird vor dem Genera­tio­nen­wechsel in eine Kapital­ge­sell­schaft umgewandelt. Eine solche Umwandlung in eine AG oder in eine GmbH wird oft von Verkäufern angestrebt, wenn sie beabsich­tigen, beim späteren Verkauf der Gesell­schaft das Unter­nehmen steuerfrei zu veräussern — und das ist nur mit Share Deal möglich. Dabei gilt es zu beachten: Der Verkauf der Aktien darf erst nach Ablauf einer 5‑jährigen Sperr­frist erfolgen und ein allfällig im Handels­re­gister einge­tra­genes Einzel­un­ter­nehmen muss zwingend ausge­tragen sein.

Beispiel 2: Die Nachfolger übernehmen im Rahmen des Firmen­kaufes nur die Assets aus dem Unter­nehmen, obwohl das Ursprungs­un­ter­nehmen eine Kapital­ge­sell­schaft ist. Der Hinter­grund der Überlegung ist, dass bei diesem Vorgehen alle Garantien und latenten Rechts­an­sprüche, die gegenüber der überge­benden Generation (den Verkäufern) bestehen, bei der alten Gesell­schaft haften bleiben und nicht an die Käufer übertragen werden. 

Das Übertragungsobjekt aus unternehmerischer Sicht

Das Übertra­gungs-Objekt muss auch aus unter­neh­me­ri­scher Sicht geklärt werden. Die Frage dazu lautet: Was wollen wir kaufen/verkaufen, und was nicht? Oft wird z.B. disku­tiert, ob das Betriebs­ge­bäude zum Unter­nehmen gehört und im Falle der Zustimmung mitver­kauft werden soll, oder ob nur der betrieb­liche Teil verkauft wird, ohne die Immobilie. Je nach Antwort ergibt sich daraus eine vorgängige Umstruk­tu­rierung (z.B. vorrangig eine Trennung von Immobilie und Betrieb) oder es kommt ein Asset Deal in der oben ausge­führten Form zum Tragen. Dann würde die Firma aus der bishe­rigen Gesell­schaft heraus gekauft werden und die Immobilie bleibt in der Ursprungs­ge­sell­schaft zurück. 

Das Übertra­gungs­objekt muss frühzeitig, konkret und detail­liert geklärt werden. Erst wenn klar ist, was wirklich verkauft wird, kann der Nachfolge- und Verkaufs­prozess zielführend gestaltet werden.

Bevor jedoch über Umstruk­tu­rie­rungen oder Berei­ni­gungs­mass­nahmen gesprochen wird, muss die Ausgangslage sorgfältig analy­siert werden. Dafür ist die Bilanz und die Erfolgs­rechnung des Unter­nehmens zentral, welche kritisch und diffe­ren­ziert angeschaut und hinter­fragt werden müssen. Allen invol­vierten Parteien sollte klar sein, was die einzelnen Positionen umfassen.

Bei der überge­benden Generation kann folgende Frage Klarheit schaffen: Wenn Sie morgen den Schlüssel zur Firma abgeben müssten, was würden Sie dann mitnehmen? In diesem Zusam­menhang bleibt mir ein Schrei­ner­meister in bester Erinnerung. Er wollte drei Bilder und eine Badewanne aus dem Ausstel­lungsraum mitnehmen. Es stellt sich jetzt die Frage: sind diese Gegen­stände nun im Betriebs- oder Privatvermögen?

Das Übertra­gungs­objekt bei der Nachfolge sollte aus zwei Perspek­tiven beurteilt werden: aus einem juristi­schen Blick­winkel und aus einer unter­neh­me­ri­schen Sicht.

Wenn wir Nachfol­ge­pro­zesse begleiten, ist es deshalb wichtig, insbe­sondere die nachfol­gende Generation bewusst an die Erfolgs­rechnung und die Bilanz eines Unter­nehmens heran­zu­führen, damit sie diese verstehen, inter­pre­tieren und ihre Schlüsse daraus ziehen können. Bei diesem vertieften Ausein­an­der­setzen mit Bilanz und Erfolgs­rechnung sind auch schon “Überra­schungen” zum Vorschein gekommen, die auch der Verkäufer nicht erwartet hatte. Plötzlich standen Fragen im Raum wie: Soll das Stück Land eines Produk­ti­ons­un­ter­nehmens, auf dem ein Rebberg steht, mitver­kauft werden oder nicht? Will der bisherige Eigen­tümer sein Auto mitver­kaufen oder sollte es vor dem Verkauf des Unter­nehmens noch aus der Firma rausge­nommen werden? Auch emotionale Erkennt­nisse gibt es — z.B., dass mit dem Verkauf des Unter­nehmens das Privileg der Tankkarte für die bishe­rigen Inhaber hinfällig wird.

Fazit

Wir erachten es als relevant, das Übertra­gungs­objekt frühzeitig, konkret und detail­liert zu klären. Dabei empfehlen wir, nebst dem juristi­schen Blick, auch einen unter­neh­me­ri­schen Blick auf das Übertra­gungs-Objekt zu werfen und sich dabei von der Frage leiten zu lassen: was soll übertragen werden und was nicht? Aus dieser Ausein­an­der­setzung ergeben sich oft verschiedene Gestal­tungs­mög­lich­keiten, die man gegen­über­stellen und abwägen sollte, bevor die Trans­aktion lanciert oder fachtech­nisch umgesetzt wird. Erst, wenn das Übertra­gungs-Objekt geklärt ist, ist auch eine solide Bewertung möglich und damit Antworten, wie man Preis und Finan­zierung gestalten möchte.

Mehr zum Thema

Auf unserer Plattform finden Sie weiter­füh­rende Unter­lagen, die Überschnei­dungen haben mit dem Thema “Übertra­gungs-Objekt”. Unter anderem folgende Beiträge

Im Download-Center stellen wir Ihnen diverse Unter­lagen und Arbeits­blätter kostenlos zur Verfügung.

Fotonachweis: Shutter­stock, St. Galler Nachfolge

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Frank Halter

Frank Halter ist ausgewiesener Nachfolgeexperte, der sich seit vielen Jahren mit Passion für Nachfolgelösungen einsetzt, die Bestand haben und für alle ein Gewinn sein sollen: für das KMU, für die übergebende und die übernehmende Generation. Er hat das St. Galler Nachfolge-Modell mitentwickelt und betreibt die «St. Galler Nachfolge-Praxis», eine unabhängige Plattform für Wissen und Erfahrung rund um das Thema Unternehmensnachfolge.

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