Blog 05: Tabu Geschäftsaufgabe

Bei etwa 30 Prozent der KMU gibt es keine Unternehmens­nach­folge. «Ich will meine Kunden nur noch bei einem für sie passenden Treuhänder platzieren» sagt etwa ein Treuhänder, der aufhören möchte.

Das Thema passt ja eigentlich nicht so recht in einen Blog über «Nachfolge», aber es gehört eben doch dazu: Bei 30 Prozent der Kleinst- und Klein­un­ter­nehmen gibt es keine Unternehmens­nach­folge. Bei den meisten dieser Fälle handelt es sich um Kleinst­un­ter­nehmen, zum Bespiel das Nagel­studio, das Einper­sonen-Treuhand­un­ter­nehmen oder den Handels­rei­senden, der auf eigene Rechnung mit Produkten unterwegs ist.

Gerade für Einper­sonen-Unter­nehmen, meistens als Perso­nen­un­ter­nehmen geführt, ist es sehr schwierig, das Eigentum an einem Unter­nehmen an Dritte zu übertragen. Für die Betrof­fenen stellt sich dann die Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt, die Geschäfts­tä­tigkeit (formell) einzu­stellen? Dem im Lead zitierten Treuhänder geht es im Grunde vor allem um eines: Er will seine langjäh­rigen Kunden in guten Händen wissen und dabei keinen negativen (letzten) Eindruck hinter­lassen – eine sehr faire und lobens­werte Grund­haltung also. Chapeau!

Nüchtern betrachtet ist es so: Wenn das Unter­nehmen weder übertra­gungs­würdig noch übertra­gungs­fähig ist, dann steht in der Regel nur noch eine Auflösung der eigenen Geschäfts­tä­tigkeit zur Dispo­sition. Dies bedeutet, dass die Aktivität einge­stellt wird und das Unter­nehmen einer «geord­neten Geschäfts­aufgabe» überführt wird.
Was vorder­gründig einfach tönt – «als Einzel­un­ter­nehmer höre doch einfach auf zu arbeiten» – ist in der Realität dann eben doch nicht zu unter­schätzen. Den Entschluss zu fassen, das Geschäft nieder­zu­legen – das ist das eine. Allfällige Struk­turen und Verpflich­tungen abzubauen, ohne dabei wesent­liche Mehrkosten zu verur­sachen – das ist das andere. Je nach Gesell­schaftsform (z.B. Personen- oder Kapital­ge­sell­schaft) sind unter­schied­liche (formelle) Schritte vorzunehmen.

Was heute fehlt, sind Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmer, die hinstehen und sagen: «Ja, es war richtig, dass ich das Geschäft nieder­gelegt habe. Ich habe es gut gemacht und stehe zu 100 Prozent zur getrof­fenen Lösung.» Wer solche Fälle kennt: Ich hätte ein offenes Ohr dafür! Vielleicht schaffen wir es gemeinsam, ein weiteres Tabu rund um das Phänomen Nachfolge aufzu­brechen. (Erstver­öf­fent­li­chung 2013 i.A. Raiff­eisen Schweiz)

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Frank Halter

Frank Halter ist ausgewiesener Nachfolgeexperte, der sich seit vielen Jahren mit Passion für Nachfolgelösungen einsetzt, die Bestand haben und für alle ein Gewinn sein sollen: für das KMU, für die übergebende und die übernehmende Generation. Er hat das St. Galler Nachfolge-Modell mitentwickelt und betreibt die «St. Galler Nachfolge-Praxis», eine unabhängige Plattform für Wissen und Erfahrung rund um das Thema Unternehmensnachfolge.

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